FODN - 60/02/2015
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GESCHICHTE
Kriegswinter 1916/17) waren für die
Soldaten eine große Herausforderung
und haben mehr Opfer gekostet als der
Kampf gegen einen sowohl personell
als auch materiell weit überlegenen
Feind. Herr Ludwig Wiedemayr, Seni-
orchef des Landmaschinenhandels in
Tassenbach, beschreibt in seinem vor ca.
zehn Jahren erschienenen Buch „Welt-
kriegsschauplatz Osttirol“ ausführlich
das Kampfgeschehen an der Front am
Karnischen Kamm und in den östlichen
Dolomiten. Er hat in jahrelanger Arbeit
unzählige Bilder und Dokumente zu-
sammengetragen, in Form dieses Bu-
ches veröffentlicht und kein Detail weg-
gelassen. Sehr lobend hebt Wiedemayr
den Einsatz des deutschen Alpenkorps
am Karnischen Kamm und in den östli-
chen Dolomiten hervor.
Die Tiroler Kaiserjägerregimente
kämpften ja seit August 1914 in den
weiten Ebenen Galiziens, im heutigen
Polen und in der Westukraine gegen
die russische Zarenarmee und erlitten
dort riesige Verluste. So waren bei der
Kriegserklärung Italiens am 23. Mai
1915 nur ältere Männer und Burschen
Grenzwache und auch Teile der Grenz-
gendarmerie, welche die Gebirgsstel-
lungen notdürftig besetzten. Bereits
Anfang Juni 1915 traf das deutsche
Alpenkorps (13 Bataillone für den Ge-
birgskampf ausgerüstete, meist berger-
fahrene Soldaten) in Bruneck ein.
Anschaulich beschreibt Wiedemayr
in seinem Buch
Weltkriegsschauplatz
Osttirol:
„Singend marschierte das Kö-
niglich Bayrische Leibregiment unter
seinem Kommandanten Major Prinz
Heinrich von Bayern am 18. Juni 1915
in ihren Standort Kartitsch ein.“
Doch schon bald wurden die Truppen
des deutschen Alpenkorps in schwere
Kämpfe mit den anstürmenden Italie-
nern verwickelt. Wo immer sie einge-
setzt wurden erfreuten sich die Bayern
wegen ihrer Kameradschaftlichkeit und
ihrem Kampfeinsatz größter Wertschät-
zung bei den österreichischen Verteidi-
gern und bei der einheimischen Bevöl-
kerung.
Prinz Heinrich zu ehren wurde auf
den Obstanser Böden nach seinem Tod
in Rumänien 1916 eine Gedenkkapelle
errichtet.
Nach dem Abzug des deutschen Al-
penkorps im Oktober 1915 übernahmen
K&K Truppen aus verschiedenen Tei-
len der Monarchie gemeinsam mit den
schon dort stationierten Kaiserschützen
die Verteidigung von Tirols Südgrenze
und wehrten alle Angriffe erfolgreich
ab.
Es würde zu weit führen, hier auf nä-
here Einzelheiten einzugehen, die sich
in diesem mörderischen Gebirgskrieg
abspielten. Nach elf blutigen Isonzo-
Schlachten, wo 1,2 Millionen Italiener
600.000 Österreichern gegenüber stan-
den, begann am 24. Oktober 1917 die
zwölfte und letzte Isonzo-Schlacht.
Acht deutsche und sieben österrei-
chische Divisionen durchbrachen die
italienischen Stellungen und stießen
tief in den oberitalienischen Raum ins
venezianische Hinterland vor. Das itali-
enische Hauptquartier in Udine wurde
erobert, doch am Piave-Fluss kam der
Angriff zum Stehen. Auch Militärhisto-
riker sind sich nicht ganz einig darüber,
warum die Offensive gegen die zusam-
menbrechende italienische Front nicht
weiter fortgesetzt wurde.
Dieser entscheidende Vorstoß hatte
zur Folge, dass die Italiener die Ge-
birgsstellungen am Karnischen Kamm
und in den Dolomiten Anfang Novem-
ber 1917 von Tarvis bis ins Etschtal auf-
geben mussten um nicht eingeschlossen
zu werden. Somit hatte der Gebirgs-
krieg in diesem Abschnitt ein Ende.
Kurz darauf begannen Waffenstill-
stands- und Friedensverhandlungen mit
der neuen Sowjetregierung, die imMärz
1918 zum Frieden von Brest-Litowsk
führten. Trotz dieser Erfolge wurde die
Lage, besonders die Versorgung mit
Lebensmitteln, immer prekärer und die
Zerfallserscheinungen der Monarchie
zeichneten sich immer mehr ab.
Nach 68 Regierungsjahren verschied
am 21. November 1916 Kaiser Franz Jo-
seph und sein Großneffe Karl folgte ihm
nach. Was in den Publikationen über
den ersten Weltkrieg kaum erwähnt
wird, sind die intensiven – aber leider
vergeblichen – Bemühungen dieses
tiefreligiösen Mannes bereits 1917 den
Krieg zu beenden.
Sowohl die Kontakte über seinen
Schwager Sixtus von Bourbon-Parma
mit der französischen Regierung, als
auch die gemeinsame Friedensinitiative
von Kaiser Karl und Papst Benedikt XV
(1914-1922) scheiterten nicht nur an den
Feindmächten der Monarchie, sondern
ebenso an der Sturheit des deutschen
Generalstabs, der bis weit in das Jahr
1918 hinein in völliger Verkennung der
Lage von einem Siegerfrieden träumte.
Kaiser Karl starb am 1. April 1922 in
der Verbannung auf der Insel Madeira
mit 35 Jahren und wurde am 3. Oktober
2004 von Papst Johannes Paul II selig
gesprochen. Durch eine Fehlinterpre-
tierung des Waffenstillstandes legte die
sich auflösende K&K Armee einen Tag
zu früh die Waffen nieder und begann
sich aufzulösen. Kampflos marschier-
ten die Italiener bis Innsbruck und
360.000 unbewaffnete österreichische
Soldaten gingen in den ersten Novem-
bertagen 1918 in italienische Kriegsge-
fangenschaft.
Offizierspatrouille in der Karnischen Alpen
Vorderste Feldwache auf der Rotwandspitze