![Page Background](./../common/page-substrates/page0028.jpg)
28
FODN - 60/02/2015
UMWELT & NATUR
Fortuna war aus ganz anderem Holz
geschnitzt. Er verbrachte die ersten Wo-
chen schön brav im errichteten Horst.
Am 1. Juli, einem wunderschönen Som-
mertag, setzte dann schließlich auch
Fortuna zum Erstflug an. Die Flugakti-
vität steigerte sich in der Folge von Tag
zu Tag und es dauerte nicht lange, bis
Fortuna in größere Höhen aufstieg. Lea
hatte in der Zwischenzeit hingegen am
großen Wasserfall unweit des Freilas-
sungsplatzes seinen neuen Lieblings-
platz gefunden, von dem er - so schien
es zumindest - gar nicht mehr weg woll-
te. Er begnügte sich mit zwei bis drei
kurzen Flügen pro Tag, den Rest des
Tages war dann eher Spazierengehen
angesagt. War ich anfangs noch davon
ausgegangen, dass sich Lea schon bald
aufmachen würde, um die Alpen zu er-
kunden, fragte ich mich wenig später,
wie viele Wochen es denn noch dauern
würde, bis endlich wieder mit Fort-
schritten zu rechnen sei.
Zeitgleich mit dem schönen Wetter
kamen im Juli dann auch mehr und
mehr Wanderer vorbei, nicht selten hat-
ten wir an die 200 Besucher pro Tag. Es
galt dann immer wieder alles Wissens-
werte über den Bartgeier und das Wie-
deransiedelungsprojekt in den Alpen zu
erzählen. Besonders häufig wurde uns
dabei die Frage gestellt, ob unsere bei-
den Geier denn schon selbst jagen wür-
den. Als reine Aasfresser, die auf das
Fressen von Knochen spezialisiert sind,
tun sie im Prinzip jedoch keiner Fliege
etwas zu Leide. Darüber hinaus muss-
ten wir beispielsweise oft erklären, wie
es im 19. Jahrhundert zur Ausrottung
des Bartgeiers gekommen ist. Auch die
eine oder andere kuriose Frage wurde
uns gestellt, wie etwa, ob wir unsere
beiden Junggeier vom Hubschrauber
aus füttern würden, was natürlich nicht
der Fall war.
Die Herausforderung bestand schließ-
lich darin, während des ganzen Erzäh-
lens und Erklärens Lea und Fortuna
nicht aus den Augen zu verlieren, da
die im Gelände gut getarnten Geier ge-
rade nach einem Flug mitunter nur sehr
schwierig wiederzufinden sind. Und
wer will am Bartgeierbeobachtungs-
stand schon ohne (vorzeigbaren) Geier
dastehen? Es hat mich jedenfalls sehr
gefreut, wie interessiert die meisten Be-
sucher waren. Besonders hervorheben
möchte ich dabei die Niederländer, die
ein Volk von Hobby-Ornithologen zu
sein scheinen. Sehr viele Touristen ha-
ben uns dabei - durch die Infotafel am
Weg für das Thema sensibilisiert - auf
die ehemaligen Staudammpläne für das
Dorfertal angesprochen und dabei ihre
Erleichterung zum Ausdruck gebracht,
dass dieses einzigartige Tal nicht geflu-
tet wurde.
Was bleibt schließlich zu sagen am
Ende von zwei Monaten im Dorfertal?
Etlichen tausend Besuchern konnten
wir Lea und Fortuna zeigen und auf
diese Weise den Nationalpark mit seiner
faszinierenden Tierwelt näher bringen.
Für viele war es sicher eine große Be-
reicherung ihres Ausflugs ins Dorfertal!
Darüber hinaus ziehen dank der Freilas-
sung mittlerweile wieder zwei Bartgeier
mehr ihre Kreise in den Alpen. Viel-
leicht werden die beiden in einigen Jah-
ren dann ja sogar selbst für Nachwuchs
sorgen. In Kals gäbe es wohl reichlich
geeigneten Lebensraum für ein Brut-
paar.
Ich würde es mir jedenfalls sehr für
die Gemeinde wünschen, dass man dort
bald noch öfter als bisher diese majestä-
tischen und überaus prestigeträchtigen
Greifvögel beobachten kann.
Aufbruch zum Futter Auslegen für die Geier