Seit sechs Jahrzehnten gehen Nobert und Annemarie Niederegger Tag für Tag exakt um 7 Uhr zur Messstation, messen den Niederschlag und lesen die Lufttemperatur in der genormten Wetterhütte ab. Im Winter werden die Gesamtschneehöhe und die Neuschneehöhe mit den jeweiligen Messlatten erfasst. Wann es Zeit ist, den Weg in den Garten zum „Wetterschauen und Wassermessen“ anzutreten, sagt Norbert Niederegger seine innere Uhr. Annemarie Niederegger geht vielfach auch öfter schauen als eigentlich notwendig: „Es ist einfach interessant. Wir haben das Wetter im Blut“, lachen die beiden. Davon zeugen auch unzählige Thermometer im ganzen Haus. Das heurige Jahr sei durch ein sehr nasses Frühjahr gekennzeichnet gewesen. Im Juli und August waren die Frühtemperaturen überdurchschnittlich hoch, Tropentage, also Tage mit mehr als 30 Grad Lufttemperatur, verzeichnete man drei an der Zahl.
Breites Interesse für den Wasserkreislauf
Auf großes Interesse stoßen die Messgerätschaften im Garten der Pension Adelheid auch bei den Gästen. Kaum einer, der nicht fragt, was hier gemacht wird. Die in Italien lebende Enkeltochter von Annemarie und Norbert Niederegger hat sogar ihre Maturaarbeit über die Messstation in Sillian geschrieben und dafür großes Lob geerntet. Im ehemaligen Stall und nunmehrigen Aufenthaltsraum der Pension Adelheid zeugt eine Markierung vom bislang größten Hochwasser in Sillian im Jahr 1966. Beim zweitgrößten Hochwasserereignis im Jahr 2018 ist dank Hochwasserschutz nichts passiert. Und dieser wurde in den vergangenen Jahren stetig verbessert.
Messstation Sillian seit 1895
Seit dem Jahr 1895 ist das Bestehen der Niederschlagsmesseinrichtung in Sillian dokumentiert. Betreut wurde sie in den vergangenen 130 Jahren meist von einem Mitglied der Familie Niederegger. Mit wenigen Unterbrechungen während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurden Daten über den Niederschlag nach Innsbruck an den hydrographischen Dienst übermittelt. Damit gehört die Station zu jenen Messstellen, die am längsten in Betrieb sind. „Eine lange Messgeschichte wie in Sillian ist standortbezogen eine wichtige Datengrundlage für Langzeitbeobachtungen. Aus diesen Daten können wertvolle Erkenntnisse über Veränderungen gezogen werden“, sagt Klaus Niedertscheider, Leiter des Sachgebiets Hydrographie beim Land Tirol.
Freiwillige gewährleisten geregelten Messbetrieb
Das Land Tirol verfügt über 650 eigene Messstellen. Unter Einbindung von Fremdmessstellen stehen Daten von über 1.000 Messstationen zur Wasserkreislauferhebung zur Verfügung. Viele der Landesmessstellen laufen vollautomatisch. Doch so ausgereift die Technik auch sein mag, der Mensch spielt nach wie vor eine wichtige Rolle, etwa bei der Kontrolle der elektronisch erfassten Werte. „Trotz der technischen Entwicklung ist ein geregelter Messbetrieb nur durch den persönlichen Einsatz, die Verlässlichkeit und das Engagement der Beobachterinnen und Beobachter möglich“, betont LHStv Josef Geiser und bedankt sich nicht nur für die langjährige und wertvolle Arbeit von Annemarie und Nobert Niederegger, sondern bittet auch darum, dass diese Tätigkeit in der Familie weitergeführt wird.