FODN - 60/02/2015
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Nach dem Ersten Weltkrieg mangelte
es auf den Bauernhöfen an allem, insbe-
sondere war der Mangel an männlichen
Arbeitskräften bedrückend. Josef Mül-
ler ist in die Dörfer hinausgegangen und
hat den Leuten als Wirtschaftsberater
und Organisator geholfen. Josef Müller
hat sich um Saatbau, um Viehzucht, um
Förderungen und um spezielle Einrich-
tungen für Bergbauern angenommen. Er
hat in den Dörfern Versammlungen und
Schulungen organisiert.
Am 12. Nov. 1933 wurde vom Ge-
meinderat beschlossen, Herrn Fachleh-
rer Josef Müller für seine Verdienste um
die Bauernschaft, das Ehrenbürgerrecht
zu verleihen. Leider ist er schon bald da-
rauf im Alter von 51 Jahren verstorben.
Erzherzog Otto von Habsburg
Am 12. November 1933 verlieh der
Kalser Gemeinderat nicht nur Josef
Müller die Ehrenbürgerschaft. In dersel-
ben Sitzung wurde beschlossen Erzher-
zog Otto von Habsburg als Ehrenbürger
von Kals zu ernennen und die Ehrenur-
kunde an denselben zu übersenden.
F. J. Otto von Habsburg, geboren 1912,
war der Sohn des späteren Kaiser Karl
und dessen Frau Zita und war für den
Kaiserthron von Österreich-Ungarn
vorgesehen. – Jedoch mit dem Ersten
Weltkrieg zerfiel das Kaiserreich. Es
folgten Jahre des Exils und der Verban-
nung: 1919 Exil in der Schweiz – 1921
Verbannung auf Madeira. Aufenthalte
in Spanien und Belgien folgten.
Ab 1930 gab es in Österreich Bestre-
bungen, eine Monarchie zu konstituie-
ren und Otto von Habsburg als Kaiser
einzusetzen. Damit sollte ein Gegenge-
wicht zu den Anschlussbestrebungen an
das Deutsche Reich geschaffen werden.
Zahlreiche Gemeinden Tirols ernannten
den Kaisersohn zum Ehrenbürger, so
auch Kals im Jahr 1933.
1936 besuchte Dr. Otto von Habsburg
Osttirol und kam auch kurz nach Kals.
1967 nahm er mit seiner Familie für eine
Nacht Quartier im Lesacherhof. Die
Kosten trug die Gemeinde. Im Café Ty-
rol traf er sich mit Bürgermeister Stefan
Schneider und mehreren Kalsern. Auch
eine Fahrt mit dem Sessellift stand auf
dem Programm.
Dr. Otto v. Habsburg beherrschte
7 Sprachen in Wort und Schrift. Von
seinen zahlreichen Tätigkeiten sei sein
Abgeordnetenmandat im Europäischen
Parlament erwähnt, das er 20 Jahre lang
innehatte. In seinem langen Leben hat
der Kaisersohn viele Talsohlen durch-
schritten, aber auch Höhen erklommen.
– Passend dazu spielte die Musikkapelle
Kals den Marsch Gipfel Sieg. Diesen
Marsch hat Sepp Leitinger für Marian-
ne Hengl geschrieben. Auch sie hat eine
weite Talsohle durchschritten, doch
2008 erhielt sie den Titel „Österreiche-
rin des Jahres“.
Dr. Otto v. Habsburg verstarb im 99.
Lebensjahr am 4. Juli 2011 in seiner Vil-
la „Austria“ am Starnberger See.
Johann Stüdl
Vom Schicksal des Zerfalls des Kai-
serreiches betroffen war auch der erste
Kalser Ehrenbürger: Johann Stüdl, der
Kaufmann aus Prag, der dort einen
Feinkostladen mit nahezu 10 Bediens-
teten besaß. Über ihn wurde schon viel
berichtet. Nicht vergessen dürfen wir:
1867 kam Johann Stüdl aus Prag erst-
mals nach Kals – 1868 ließ er auf der
Vanitscharte die erste Stüdlhütte er-
bauen; es folgten die Versicherung des
Stüdlgrates und 1869 die Gründung des
Bergführervereines in Kals, beispielge-
bend für andere.
1870 schon wurde Stüdl zum Kalser
Ehrenbürger ernannt, und als 1872 für
die Pfarrkirche neue Glocken angekauft
wurden, stand auf der großen Glocke:
Johann Stüdl, benefactor maximus.
Johann Stüdls Leistungen für Kals
hat 1880 der damalige Vorsitzende der
Alpenvereinssektion Austria, Herr v.
Adamek, prägnant formuliert: Sie, Herr
Stüdl, haben sich um die Erschließung
der Glocknergruppe große Verdienste
erworben, und, ja wenn ich mich so aus-
drücken darf, Kals gemacht.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges
verstarb Stüdls Frau, und mit dem Zer-
fall der Monarchie kam es ab 1918 auch
in Prag immer wieder zu Gewaltakten.
Dies bewog den 80-Jährigen Prag zu
verlassen. Er fand in Salzburg im Gast-
hof zur „Goldenen Birne“ mit der Tiro-
ler Weinstube eine zweite Heimat.
Johann Stüdl verstarb am 29. Jänner
1925 und ist in Salzburg beerdigt. Für
Johann Stüdl war die Komposition von
Bedrich Smetana „Thema aus Die Mol-
dau“, passend.
Bürgermeister Stefan Schneider
Wie stabil unsere Gemeinde aufge-
stellt ist, zeigt u.a., dass für Kals seit
1956 nur drei Bürgermeister gebraucht
MENSCHEN
Fachlehrer Josef Müller
Dr. Otto von Habsburg
Johann Stüdl