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08/2015
umfiel, zu Boden geschleudert und blieb
mit schweren Kopf- und Rückenmark-
verletzungen liegen. Dass ihm der Kopf
nicht zerschmettert wurde, hatte er nur
dem Stahlhelm zu danken, der ihm, total
verbeult, gewaltsam vom Kopf genom-
men werden musste.
Das dritte Opfer, den Fabriksarbeiter
Philipp Stocker, holte sich die Mure
beim Überqueren der Landesstraße unter
dem sogenannten „Kleinbrüggele”’.
Stocker war an der Unterweger Säge
beschäftigt, hörte wohl den Warnungs-
ruf: „Philipp, fliach!“, aber für ihn war
der Fluchtweg zu lang. Schon nach ein
paar Metern wurde er vom Luftdruck
erfasst, gegen die nordseitige Schutz-
mauer der Säge geschleudert und unter
den Geröllmassen begraben.
Mehrere Frauen und Kinder, die sich
zur gefährlichen Zeit im Bereich des
„Brüggele“ aufhielten, konnten noch
rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich
entkommen.
Bachabwärts, im Fabriksbereich, stan-
den noch weitere Arbeiter und Helfer.
Sie haben ihre Rettung nur dem
Umstand zu verdanken, dass sie durch
den Lärm eines vom Luftdruck umge-
worfenen Bretterstockes im allerletzten
Augenblick auf die große Gefahr auf-
merksam gemacht wurden.
Das Ausmaß der Mure und die Wucht
des Nachschubes haben eine Rettung,
bzw. Bergung der drei Verunglückten in
keinem Fall zugelassen, zumal auch der
wirkliche Lageplatz nur vermutet, nicht
aber mit Sicherheit festgestellt werden
konnte. Noch während Thal unter dem
Eindruck dieser Schreckensnachrichten
stand, wurde knapp vor 10 Uhr des glei-
chen Tages auch für das Kristeinertal
und damit für die Siedlungsgebiete
Burg-Vergein, St. Justina und Mitte-
wald Hochwasseralarm gegeben. Das
von der Kristeiner-Alpe kommende und
zwischen Mittewald und St. Justina in
den Kristeinerbach mündende „Flatsch-
bachl“ war zum Wildbach geworden.
Von seiner Mündung abwärts, aber auch
taleinwärts waren innerhalb nur weniger
Stunden weite Strecken zu unvorstellba-
ren Wüsteneien geworden, so dass auch
für diesen Bereich der Einsatz aller ver-
fügbaren Kräfte gefordert werden mus-
ste. Das Kristeinertal war binnen einiger
Stunden in ein „Schlachtfeld“ verwan-
delt worden. Bäume und Geröllmassen
sperrten die ganze Talbreite. Die Land-
esstraße existierte an vielen Stellen
überhaupt nicht mehr. Die Fernsprech-
leitung war unterbrochen und um das
Schicksal der abgeschlossenen Siedler
taleinwärts wusste man nichts.
Am späten Nachmittag dieses Unheilta-
ges, etwa zwischen 18 und 18:30 Uhr,
holte sich das Hochwasser sein viertes
Opfer. Josef Pargger, Jungbauer aus
Kosten und Vater von drei Kindern, ver-
unglückte beim Arbeiten am Kristein-
bach südlich von St. Justina. Enormer
Wasserstand, das Reißen der Fluten und
die eintretende Dunkelheit machten
eine Hilfeleistung oder Bergung aus-
sichtslos. Einen Tag später konnte die
Leiche des Verunglückten in der Nähe
der „Sachser Mühle“ geborgen werden.
Bereits in den frühen Nachmittagsstun-
den des ersten Tages wurde auch die
Lage am Wilferner Bach äußerst kri-
tisch, sodass neuerdings ein ganzer
Bachverlauf unter Kontrolle genommen
werden musste. Nicht nur einzelne Häu-
ser an diesem teilweise gut verbauten
Bach, auch das erst im Vorjahr erbaute
Elektrowerk, Stufe II, und der Neubau
der Ölfirma mussten gegen die drohen-
de Wassergefahr wirksam geschützt
werden.
Nach dem Ausfall des Feuerwehrkom-
mandanten wurden Franz und Ignaz
Unterweger als Einsatzleiter für das
Katastrophengebiet Thal bestimmt, die
in pausenlosem Einsatz bei Tag und
Nacht ihr Bestes gaben.
Gar bald musste man erkennen, dass
Mittel und Mannschaft nicht ausreichen,
der überall zu Tal brausenden Wasser-
massen Herr zu werden. Bürgermeister
Libiseller entschloss sich daher, das
Bundesheer um Unterstützung zu ersu-
chen.
Für den ersten Tag der Katastrophe und
die ihm folgende Nacht war man aller-
dings abgesehen von einem Hilfszug der
Freiwilligen Feuerwehr Lienz aus-
schließlich auf eigene Hilfe angewiesen.
Noch während des Tages und insbeson-
dere während der ersten Schreckens-
nacht kamen von überallher Hilferufe.
Einsatzpersonal und verschiedene
Gerätschaften würden benötigt. Einzel-
ne Bäche bahnten sich durch Feld-,
Wiesen- und Kulturgrund neue Wege.
Zudem stand für das gesamte Katastro-
phengebiet nur ein einziges Ladegerät
der Fa. Gridling zur Verfügung. Höchste
Anerkennung und größtes Lob verdient
die Bedienungsmannschaft dieses Gerä-
tes, Johann Niederwieser und Josef
Huber. Sie standen drei Tage und Näch-
te hindurch in pausenlosem Einsatz und
griffen überall dort ein, wo es gerade am
notwendigsten war, bald in Mittewald,
bald in Thal.
Noch immer war keine Besserung der
Lage zu erwarten. Fortdauernder Regen
verschlimmerte sie zusehends. In Mitte-
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