
OSTTIROLER
NUMMER 9-10/2018
2
HEIMATBLÄTTER
denkmals abgelöst werden. Das südliche,
heute bauhistorisch noch ursprünglich er-
haltene Mauerwerk enthält Kapellenni-
schen mit weiten Bogenöffnungen, deren
älteste Grabstätte (im mittleren Bereich)
vermutlich ins mittlere 16. Jahrhundert da-
tiert werden kann. Die westlich daran an-
grenzenden Nischen lassen immerhin
eine frühbarocke Entstehungszeit
6
zu,
worauf außerdem einige ins Mauerwerk
eingelassene Inschrift-Tafeln hinweisen.
Der Neue Friedhof 1901
Um den immer gravierender werdenden
Mangel an freien Grabstätten rund um die
Pfarrkirche zu beheben – es wurde in dem
beschränkt erweiterbaren Areal immerhin
schon in den Gehwegen bestattet –, be-
fasste sich der Lienzer Gemeindeausschuss
Ende des 19. Jahrhunderts mit demVorha-
ben, eine neue Friedhofsanlage nordwest-
lich der Pfarrkirche, die zum Teil auf dem
Gemeindegebiet von Patriasdorf gelegen
war
7
, errichten zu lassen. Die eingereichten
Planzeichnungen zum Projekt stammen
von Alfons Pupp (1889), Karl Rokita
(1891/92), Alois Siehs (1892) und Viktor
Rizzardi (1899), der die Entwürfe für die
Gräber in den Arkaden-Grüften erstellte.
8
Das Bauvorhaben sollte zügig umgesetzt
werden, immerhin konnte die kirchliche
Weihe des Friedhofs bereits am 28. Juli
1901 vollzogen werden und die der Fried-
hofskapelle 1904. Die Vorschriften für den
neuen Friedhof von Lienz wurden in
zwei Gemeindeausschuss-Beschlüssen am
6. Juli 1901 und am 27. November 1906
statuiert:
„Der neu angelegte Friedhof von
Lienz umfasst bei einer Länge von 105 m
von West nach Ost und einer Breite von
98.8 m von Nord nach Süd eine Fläche von
10.374 m
2
und enthält: an der Nordseite
30 Arkaden mit Grüften, […], sechs Lei-
chenfelder mit je 76 Randgräbern in der
Umfassung, fünf Leichenfelder […] zu-
sammen mit 1120 Turnusgräbern, […]
während ein Leichenfeld für 440 Kinder-
Turnusgräber eingeteilt ist. […] an der öst-
lichen und westlichen Mauer je 75 Wand-
gräber […]. An der Nordseite des Fried-
hofes in der Mitte der Arkadenreihe und an
diese angebaut liegt die Kapelle, das
Leichenhaus mit Nebenräumen und die
Wohnung des Friedhofwärters […].“
9
Erst 1963 fanden weitreichendere Um-
bauarbeiten in dieser Anlage statt, um nach
den Plänen des Lienzer Stadtbaumeisters
Lois Untersteggaber die Aufbahrungs- und
die Einsegnungshalle grundlegend zu er-
neuern und sie den Anforderungen der Zeit
und der Ästhetik
10
anzupassen. Die Innen-
ausstattung der Aufbahrungshalle wurde
2010 von dem aus Virgen stammenden
Bildhauer Michael Lang (geb. 1983) mit
einer Großplastik des auferstandenen
Christus, der Zeit entsprechend, umgestal-
tet. Die Dimensionierung und die Aus-
richtung der Friedhofseinfassung sind
übrigens bis heute aktuell.
11
Das Bezirkskriegerdenkmal 1925
Der alte Friedhof um die Pfarrkirche
wurde jedoch nicht sofort aufgelöst und
sorgte wegen der bereits erwähnten, allge-
mein zunehmenden Verwahrlosung rund
um die Denkmäler und Grabkreuze für
Unmut, außerdem waren die Besitzer der
Arkadengräber nicht gewillt, sich finanziell
an einer Sanierung zu beteiligen. Die
Situation sollte sich erst mit der umfassend
konzipierten Neugestaltung des Friedhof-
komplexes nach den Plänen des Tiroler
Architekten Clemens Holzmeister (1886-
1983) und damit mit der Errichtung des
monumentalen Bezirkskriegerdenkmals in
den Jahren 1924/1925, ändern.
12
Die Vor-
geschichten und die Nachwirkungen im
Zusammenhang mit dessen Entstehungs-
verlauf und der künstlerischen Ausstattung
des Objekts durch den renommierten
Maler Albin Egger-Lienz (1868-1926),
waren mehr wie öffentlichkeitswirksam
und reflektieren heute noch den Konserva-
tismus einer Gesellschaft, dessen Ausprä-
gung in unserer Gegenwart nur marginal
liberalere Züge angenommen hat.
Unmittelbar nach Ende des Ersten Welt-
kriegs befasste sich schon 1918 die Lienzer
Jos Pirkner: Ein „Adler“ als innenseitiger
Türöffner des linken Seitenportals der
Pfarrkirche, Bronze, 1969.
Blick nach Westen entlang der südseitigen Arkadenwand beim Alten Friedhof um die
Pfarrkirche St. Andrä: In diesem Bereich findet man die ältesten Grabstätten, die ins
16./17. Jhdt. zurückreichen.
Die südliche Arkadenwand mit den reichlich gestalteten Grabnischen.