Virgen
Aktiv
42
I
Österreich vor 70 Jahren
29. März:
Die Rote Armee überschritt
im Burgenland Österreichs Grenze
2. April:
Ausgabe des Befehls, dass Wien
mit allen Mitteln verteidigt werden muss
4. April:
Um Wien vor der Zerstörung
zu bewahren, nahm die Widerstands-
gruppe von Major Carl Szokoll (im Vor-
jahr schon erwähnt) Kontakt mit den
russischen Befehlshabern auf. Beabsich-
tigt war, nach Entmachtung der Nazi-
Funktionäre die Stadt kampflos zu über-
geben. Doch der Plan konnte nicht aus-
geführt werden, weil die misstrauisch
gewordene Führung drei Offiziere des
Widerstands verhaften ließ.
5. April:
Als die Sowjets von dem ge-
scheiterten Putschversuch erfuhren, be-
gannen sie mit dem Kampf um Wien,
der vor allem im Osten und Süden der
Stadt für beide Seiten äußerst mörde-
risch verlief
8. April:
Die drei verhafteten Offiziere
wurden standrechtlich zum Tod verur-
teilt und gleich darauf an Laternenpfäh-
len öffentlich gehenkt. Zur Rechtferti-
gung der Strafe hat man jedem der drei
Ermordeten zwei Kartons umgehängt,
auf denen stand: „Ich habe mit den ...
Bolschewiken paktiert!“.
13. April:
Ende der „Schlacht um
Wien“. Nach den durch das Bombarde-
ment verursachten tiefen Wunden „voll-
endeten“ nun die Artillerie- und Pan-
zergeschosse beider Seiten den Unter-
gang der Stadt. Da man aus
unerfindlichen Gründen schon vorher
die Feuerwehr abgezogen hatte, breiteten
sich Brände ungehindert aus, denen u. a.
der Stephansdom und die Staatsoper
zum Opfer fielen. Die Infrastruktur
(Versorgung mit Gas, Wasser, Elektrizi-
tät) war total zerstört, alle Bahnhöfe
lagen in Schutt und Asche, sodass keine
Lebensmittel angeliefert werden konn-
ten.
Doch der „Führer“ verkündete: „Berlin
bleibt deutsch, Wien wird wieder
deutsch!“
14. April:
Gründung der „Sozialisti-
schen Partei Österreichs“ (SPÖ)
17. April:
Gründung der „Österreichi-
schen Volkspartei“ (ÖVP)
27. April:
Vorrangiges Ziel einer mitt-
lerweile von Dr. Karl Renner aus SPÖ,
ÖVP und KPÖ gebildeten provisori-
schen Regierung war die „Wiederher-
stellung der Republik Österreich“. Die-
ses Kabinett wurde zunächst nur von
den Sowjets, und erst ab 20. Oktober
auch von den drei anderen Besatzungs-
mächten anerkannt.
28. April:
Italienische Partisanen griffen
am Comer See den „Duce“ Benito Mus-
solini auf und erschossen ihn zusammen
mit seiner Geliebten Clara Petacci
28. April:
Amerikanische Soldaten be-
traten bei Vils in Nordtirol österrei-
chischen Boden. Ihr Vormarsch erfolgte
nur zögernd, da in den Bergen Tirols an-
geblich eine „Alpenfestung“ existieren
sollte. Solche Pläne gab es tatsächlich,
doch sie wurden nie verwirklicht.
29. April:
Kapitulation der deutschen
Streitkräfte in Italien
29. April:
Befreiung des KZ Dachau
durch die Amerikaner
29. April:
Adolf Hitler diktierte im Füh-
rerbunker der Sekretärin Traudl Junge
zwei Testamente – ein persönliches und
ein politisches.
A) Das persönliche umfasst nur drei Sei-
ten; es bevollmächtigt Martin Bor-
mann zur Verwaltung von Hitlers
Besitztümern, legt die Eheschließung
mit seiner langjährigen Lebensge-
fährtin Eva Braun fest und kündigt
den gemeinsamen Selbstmord an.
B) Das Wichtigste vom Inhalt des poli-
tischen (zehn Seiten):
a) Keine Einsicht, den Krieg begon-
nen und verbrecherische Befehle
gegeben zu haben; schuld sind die
Polen, die Briten, die Russen ...
die Juden!
b) Fortsetzung des Kampfes „bis zur
strahlenden Wiedergeburt der na-
tionalsozialistischen Bewegung.“
(Zitat)
c) Reichsmarschall Hermann Göring
und SS-Führer Heinrich Himmler
(früher die engsten Vertrauten)
werden wegen geheimer Verhand-
lungen mit dem Feind von der
Partei ausgeschlossen und aller
Ämter enthoben
d) Besetzung der Regierungsämter
nach seinemTod. Reichspräsident
und Oberster Befehlshaber der
Wehrmacht: Großadmiral Karl
Dönitz, Reichskanzler: Dr. Joseph
Goebbels ... des Weiteren sind alle
von ihm gewünschten Minister
und Funktionäre namentlich an-
geführt.
e) Der letzte Satz (Zitat): „Vor allem
verpflichte ich die Führung der
Nation ... zur peinlichen Einhal-
tung der Rassengesetze und zum
unbarmherzigen
Widerstand
gegen den Weltvergifter aller Völ-
ker, das internationale Judentum.
Gegeben zu Berlin,
den 29. April 1945, 4.00 Uhr“
30. April:
Um ca. 15.30 Uhr vollzogen
Adolf und (seit einigen Stunden) Eva
Hitler den angekündigten Selbstmord.
Beide schluckten Kapseln mit Zyankali,
und um ganz sicher zu gehen, schoss er
sich gleich darauf noch eine Pistolenku-
gel in den Kopf.
Die Leichen wurden nach dem im Tes-
tament geäußerten Willen mit Benzin
übergossen und verbrannt.
Der Öffentlichkeit setzte man, wie seit
der Machtergreifung im Jahr 1933 üb-
lich, Lügen vor: „Aus dem Führerhaupt-
quartier wird gemeldet, dass unser Füh-
rer Adolf Hitler heute nachmittag in sei-
nem Befehlsstand in der Reichskanzlei,
bis zum letzten Atemzug gegen den Bol-
schewismus kämpfend, für Deutschland
gefallen ist.“
„Mit ihm ist einer der größten Helden
deutscher Geschichte dahingegangen.“
(Zitate)
Die darunter gekritzelte Frage „Wohin?“
nennt man wohl Galgenhumor.