nun bewaldet und bietet keine Möglichkeit
zur Aussicht auf das Lienzer Becken.
Nach einem Aufenthalt von fast einer
halben Stunde ging die Fahrt weiter zur
Hauptstraße. Man kam am Dorf Dölsach
vorbei, das durch einen Brand am 29. Au-
gust 1853 größte Schäden erlitten hatte.
Häuser und Kirche befanden sich nun im
Wiederaufbau. Für den Bau des Gottes-
hauses sagte Franz Joseph aus der „aller-
höchsten Privatschatulle“ die ansehnliche
Summe von 1.200 Gulden zu.
23
Der Besit-
zer des Plautz-Anwesens, das einige Wo-
chen zuvor nach einem Blitzschlag abge-
brannt war, erhielt 350 Gulden.
Bei der Einmündung der Iselsbergstraße
in die Hauptstraße am Talboden war wie-
der eine
„imposante Ehrenpforte“
errich-
tet.
24
Wieder erwarteten das Kaiserpaar
Schützenkompanien und zwar von Lienz,
Oberlienz, St. Johann i. W., Anras und
nochmals Dölsach mit ihren Musikkapel-
len.
„An der Ehrenpforte standen hingegen
zum Empfange des hohen Kaiserpaares
bereit: die sämmtlichen
[!]
Herren k. k. Be-
amten von Lienz in Galla-Uniform
[!]
, der
löbliche Stadtmagistrat, die hw. Geistlich-
keit und Honoratioren, sowie an der un-
tern Seite der Pforte die Damen und schö-
nen Fräuleins in geschmackvoller Toilette.
Weiter aufwärts waren die bespannten
Hofwägen für die hohen Reisenden in
Bereitschaft gehalten.“
Der Kaiser sprach mit mehreren der An-
wesenden, darunter mit dem Lienzer Bür-
germeister Dr. Franz Brigl
25
und bedankte
sich mehrfach für den freundlichen Emp-
fang in Tirol. –
„… und so fuhren Sie end-
lich um halb 10 Uhr Vormittag, begleitet
von den tausendfachen Segenswünschen
und dem begeisterten Jubel der Anwesen-
den wieder über unsere Grenze hinaus,
uns das beglückende kaiserliche Wort eines
baldigen Besuches zurücklassend.“
Der Aufenthalt in Tirol hatte nur rund
zwei Stunden gedauert. An der Landes-
grenze beim Kärntner Tor war wiederum
eine Ehrenpforte errichtet, durch die Tirol
verlassen und Kärnten betreten wurde.
Der Kaiser 1886 und 1889 in Lienz
und im Pustertal
Im Juli des Jahres 1886 hielt sich Erz-
herzog Albrecht, der verehrte Sieger von
Custozza (1866), für einige Zeit im Bezirk
Lienz auf, was allgemein als große Ehre
aufgefasst wurde.
26
– Eine unbeschreibliche
Freude aber erfasste den ganzen Bezirk
Lienz, als Anfang September 1886 bekannt
wurde, dass Kaiser Franz Joseph an den
Manövern des 14. Armee-Corps im Brun-
ecker Raum teilnehmen und damit auch die
Stadt Lienz und das Pustertal passieren
werde.
27
Auf dem Boden des damaligen
Bezirkes waren Aufenthalte des Hofzuges
in Lienz und kurz auch in Abfaltersbach
und Innichen vorgesehen. Sofort begannen
zahllose Besprechungen bei den Behörden
und den verschiedensten Vereinen. Der Be-
zirkshauptmann Gottlieb Nußbaumer
28
und
der Lienzer Bürgermeister Franz Rohra-
cher
29
waren besonders gefordert. Es wur-
den alle nur erdenkbaren Initiativen einge-
leitet, und man arbeitete ein dicht gedräng-
tes Programm aus, um die Durchfahrt des
Kaisers zu verschönern. Man empfand es
als besondere Auszeichnung, wenn der
Monarch auf Tiroler Boden einige Male aus-
stieg, um die Honoratioren zu empfangen,
während er auf der Fahrt durch Kärnten
jeden Empfang ablehnte, wofür vielleicht
politische Gründe ausschlaggebend waren.
Am 16. September war es soweit: Der
Kaiser kam ins Pustertal! Der Tag wurde
beinahe zu einem Volksfest. Ein großer
Teil der Bevölkerung, besonders aus der
Umgebung von Lienz, strömte zum Bahn-
hof, um den Kaiser zu sehen.
Über den Besuch des Kaisers berichtet
die Lienzer Zeitung am 19. September in
ausführlicher Weise:
30
„Lienz, 16. September. Der heutige Tag
hat die Reihe der Kaisertage eröffnet, er
war ein Festtag für ganz Pusterthal. Vom
Morgen an machte sich in Lienz die fest-
tägliche Bewegung bemerkbar. An die Aus-
schmückung des Bahnhofes mit Flaggen
und Wappenschildern wurde die letzte
Hand gelegt, eine Reihe mächtiger Wimpel
in den Farben des Allerhöchsten Kaiser-
hauses, sowie Oesterreichs, Belgiens und
Tirols flatterte vor dem Aufnahmsgebäude.
Grüne Guirlanden verbanden die Flag-
genstangen. Die Gebäude waren mit
Wappenschildern und Fahnen geschmückt.
In der Stadt wehten zahlreiche Flaggen
von den Giebeln der Häuser.
Im Laufe des Tages trafen die Vertretun-
gen der auswärtigen Gemeinden ein. Vom
fernen W.-Matrei mit seinen Nebenthälern
kamen die Gemeindevorsteher etc., um
dem Kaiser ihre Huldigung darzubringen.
Nachmittags belebte sich die Stadt auch
mit Schützen und Veteranen.
Lange vor der für die Ankunft des Hof-
zuges festgesetzten Stunde bewegte sich ein
Zug weißgekleideter Schulmädchen mit
reichgefüllten Blumenkörbchen nach dem
Bahnhofe. Sie hatten die Aufgabe, dem
Kaiser Blumen auf den Perron zu streuen.
Mit der hereinbrechenden Dämmerung
begannen die Freudenfeuer von den Bergen
empor zu flammen. An zahllosen Punkten
der Gebirgsumrandung von Lienz sowie
weit in das Iselthal hinein und das Drauthal
hinauf entstanden Feuer, Initialen und Kro-
nen. Einzelne Feuer brannten auf den Gip-
feln der Berge, das höchste am Spitzkofel
(2.740 Meter), von welchem eine riesige
weißrothe Flagge wehte. Auf der ersten Sta-
tion in Tirol, in Nikolsdorf, wurde der Hof-
zug mit Pöllersalven empfangen. Raketen
spielten auf einem romantisch gelegenen,
gegen die Drau vorgeschobenen Felsen-
kopfe, der im Momente der Vorüberfahrt Sr.
Majestät mit bengalischem Feuer beleuch-
tet wurde, dessen milder Rosaschein auch
die Fluten der Isel
[!]
verklärte.
Bei der Einfahrt des Hofzuges in Lienz
war die Dämmerung schon ziemlich der
Dunkelheit gewichen. Die Bergbeleuch-
tung stand in vollster, großartiger Schön-
heit, und sie mußte einen überwältigenden
Eindruck auf den machen, der sie von
freiem Punkte aus ganz übersehen konnte.
Am Bahnhofe von Lienz waren die k. k.
Beamten, der Clerus, die Stadtvertretung
von Lienz und die Vertretungen sämtlicher
Gemeinden der Bezirke Lienz und Win-
disch-Matrei aufgestellt, ferner die Stand-
schützen, die Veteranen, die Feuerwehren
von Lienz und Leisach, die Vorstände der
Vereine vom rothen Kreuz und vom
Frauen-Hilfsvereine, sowie der kath. Ge-
sellenverein und die Schuljugend mit ihren
Lehrern und Fähnleins; die Musikbanden
von Lienz, Anras, Tristach und Dölsach
hatten ebenfalls Aufstellung genommen.
Als nun der Hofzug in die Station fuhr,
intonierten sie die Volkshymne und brau-
sende Hochs empfingen den Monarchen.
Der Kaiser verließ sofort den Wagon
und wurde vom Bezirkshauptmann von
Lienz bewillkommt. Dann richtete eines
der weißgekleideten Mädchen eine An-
sprache an Sr. Majestät und überreichte
einen prächtigen Blumenstrauß. Unter der
Führung des k. k. Bezirkshauptmannes er-
folgte dann die Vorstellung der einzelnen
Vorstände und Functionäre. Der Kaiser
hatte für jeden einige freundliche Worte.
Dem Bürgermeister von Lienz gegenüber,
welcher der Freude über den Allerhöchs-
ten Besuch Ausdruck gab, äußerte der Kai-
ser, dass es ihn freue, nach dreißig Jahren
wieder ins Pusterthal zu kommen und dass
ihn der herzliche Empfang besonders
freue. Sodann erkundigte er sich nach den
Verhältnissen der Stadt und Gegend in
Rücksicht auf die Überschwemmungs-
schäden und deren Behebung, sowie um
die Ernte und den Fremdenverkehr.
Nachdem Se. Majestät die ganze Front
der Vertretungen und Vereine abgeschritten
hatten, begaben sie sich in den Wagon zu-
rück. Die Musiken stimmten wieder die
Kaiserhymne an. Darauf brachte der Sän-
gerbund den Chor ‚Hoch Oesterreich‘ von
Dr. Leiter zum Vortrage, unter dessen
Tönen, sowie brausendem Hoch der Volks-
massen der Hofzug abfuhr. Der Kaiser
grüßte fortwährend aus dem Wagon.
Die Gegend stand noch in wunderbarer
Bergbeleuchtung. Als der Hofzug den
OSTTIROLER
NUMMER 11/2016
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HEIMATBLÄTTER
„Ehrenpforte“ neben dem Grenzstein an
der Landesgrenze am Kärntner Tor, die
Franz Joseph und Elisabeth nach einem
Kurzbesuch in Tirol am 8. September 1856
passierten; getönte Lithographie, enthal-
ten im großformatigen Album über die
Reise des Kaiserpaares durch Kärnten, er-
schienen 1859.
(Original und Foto: Landesmuseum für
Kärnten, Klagenfurt)