nur gestatte, daß die St.Sch. das Unratio-
nellste, was es im gegenwärtigen Weltkrieg
gibt, darstellen
.“
19
Neben den gängigen
Beschimpfungen und Diskriminierungen
wurde den Standschützen vielfach auch
Unzuverlässigkeit vorgeworfen.
Interessanterweise konnten jedoch die
Truppen des Alpenkorps im Gegensatz zu
den Offizieren der eigenen Armee, vor
allem durch ihren kollegialen Umgang bei
den Standschützen punkten. Offensichtlich
erfuhren die Standschützen eine bessere
Behandlung durch die deutschen Truppen,
was bei ihnen den Eindruck vermittelte,
dass sie vom Bündnispartner als gleich-
wertige Truppen betrachtet wurden: „
Kom-
mandant der Stellung, in der unsere 2.
Kompanie lag, war Leutnant Endel von
einer preußischen Maschinengewehrkom-
panie des deutschen Alpenkorps. Er
schien Ungünstiges über die ‚Standschüt-
zenmiliz‘ gehört zu haben und wollte
daher die Leute prüfen. Er schickte einen
Mann mit einem geschlossenen Briefum-
schlag in den Graben mit dem Befehl, den
Briefumschlag zu einer bestimmten Zeit zu
öffnen. Der Umschlag enthielt den Befehl,
sofort zu alarmieren. Auf das Alarmzei-
chen besetzten die Preußen und unsere
Leute die Stellung. Leutnant Endel hatte
mit der Uhr in der Hand alles beobachtet.
Der Alarm war zu seiner Befriedigung
ausgefallen. Er sagte nachher zu unserem
Leutnant Plaseller: ‚Ich wußte, daß ich
mich auf meine Leute, mit denen ich seit
Kriegsbeginn im Felde stehe, verlassen
kann. Daß aber Ihre Leute alles nicht nur
gleich schnell, sondern auch gleich ge-
schickt gemacht haben wie meine Mann-
schaft, darüber staune ich. Ich weiß, wir
werden gut zusammenarbeiten
.‘“
20
Dass
die deutschen Soldaten den österreichi-
schen Offizieren in ihrer Kritik an den
Standschützen jedoch im Grunde in nichts
nachstanden, trat demnach nie offen zu
Tage. Im offiziellen Schriftverkehr fand
auch Generalleutnant Krafft von Dellmen-
OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2016
7
HEIMATBLÄTTER
Bataillonskommandant Prinz Heinrich von Bayern dekoriert im Sommer 1915 vor dem
Preßl-Haus in Obertilliach verdiente Tiroler Landesschützen; links im Bild Soldaten des
Deutschen Alpenkorps.
(Sammlung Michael Annewanter, Obertilliach)
ten. Auch auf österreichischer Seite war
man zu der Erkenntnis gekommen, „
dass
man bei verständnisvoller Behandlung und
Ausnützung der reichlich vorhandenen na-
türlichen Anlagen, besonders im Verteidi-
gungskampfe sehr gute, mitunter erstaunli-
che Resultate erzielen kann
.“
24
Von einer
rohen Beschimpfung und herabwürdigen-
den Behandlung seitens der Offiziere
sollte, so ein Befehl vom November 1915,
Abstand genommen werden. Allerdings
hatte sich die diskriminierende Behandlung
der Standschützen zu Kriegsbeginn in den
Köpfen der Männer eingeprägt und nach-
folgende Ereignisse meist relativiert.
Diese Entwicklung ist auch in den Auf-
zeichnungen des Standschützenoberleut-
nants Josef Lugger aus Kartitsch festzu-
stellen, der das Alpenkorps in seinen nach
dem Krieg niedergeschriebenen Erinne-
rungen mit lobenden Worten erwähnt, über
die eigenen Truppen jedoch kaum ein
gutes Wort verliert. Dies beruht vor allem
darauf, dass den Standschützen seiner
Schilderung zufolge vor allem in den
ersten Kriegsmonaten kein Glaube in tak-
tischen Angelegenheiten geschenkt wurde.
Der Konflikt spitzte sich zudem noch zu,
als den Standschützen die Schuld für miss-
glückte Rückeroberungsversuche feindlich
besetzter Stellungen gegeben wurde. Erst
als das Infanterieregiment 29 die Stellun-
gen am Karnischen Kamm bezog, besserte
sich das Verhältnis zwischen den Stand-
schützen und den regulären Truppen der
k. u. k. Armee. Die Beziehung Luggers
zum deutschen Bündnispartner war da-
gegen schon von vornherein von Hoch-
achtung geprägt. So veranlasste ihn die
Schilderung der Julikämpfe auf der Fil-
moorhöhe zu folgenden Aussagen:
„
Ohne die Deutschen wäre diese Stel-
lung u. wir alle des Todes oder abge-
schnitten und gefangen. Dieses war eine
herrliche Tat der Deutschen und auch der
singen lobende Worte: „
Am lehrreichsten
vollzieht sich aber die Weiterbildung an
der Front selbst durch die grundsätzliche
Mischung von Standschützen und Truppen,
die ich allgemein angeordnet habe. Zu-
nächst ist das Einschieben kriegserfahre-
ner, gefestigter Truppen in der Front dem
Bedürfnis entsprungen, den Standschüt-
zenformationen im Gefecht einen festen
Halt zu geben. [...] Das erfordert viel Ge-
schick. Hier ist mit Befehlen nichts zu ma-
chen. Der so genannte ‚Kommißton‘ muß
gänzlich ausgeschlossen sein. Am lehr-
reichsten und am sichersten wirkt das Bei-
spiel und die ruhige, geduldige, freund-
liche Belehrung, die den Leuten das, was
sie lernen sollen, förmlich spielend bei-
bringt. Mit großer Genugtuung habe ich
bei der Besatzung des Abschnittes auf dem
Sief-Sattel gesehen, wie auf solche Weise
bereits sehr bemerkenswerte Erfolge er-
zielt sind. Der betreffende Kompaniechef
[Hptm. Walter, 2. Bayer. Jägerbataillon,
Anm. d. Verf.]
hat bei allen Tätigkeiten in
den Besatzungen die Truppen und die
Standschützen gemischt. Die Standschüt-
zen sehen so alles von der erfahrenen
Truppe ab und werden von dem Ehrgeiz
gepackt, Ähnliches zustande zu bringen;
sie lernen von der Truppe [...]
.“
21
Besonders mit den Leibern entwickelte
sich ein herzlich-kameradschaftliches Ver-
hältnis: „
Die braven Leiber teilten ihre Lie-
besgaben mit den in dieser Hinsicht viel
schlechter gestellten Leuten unseres Ba-
taillons
.“
22
Die didaktische Methode des
Alpenkorps war aller internen Vorbehalte
zum Trotz demnach besser als jene des
österreichischen Militärs. „
Spielend lernten
unsere Leute den praktischen Felddienst
von den kriegserfahrenen deutschen Krie-
gern. Sie lernten auch den Unterschied zwi-
schen Theorie und Praxis
“
23
, belegt Anton
von Mörl das Ergebnis der fruchtbringen-
den deutschen Umgangsweise. Schließlich
schien diese Art der Behandlung auch den
österreichischen Kommanden einzuleuch-
Prinz Heinrich von Bayern (geboren 24.
Juni 1884 in München, gestorben 8. No-
vember 1916 im Kreis Arges in Rumänien).