„
Am Heimweg zu
meiner Stellung längs
des Westhanges der
Rotwand, traf ich in
der Andert Alpe
[sic!]
eine Abteilung preus-
sischer Infanterie, die
ein Maschinengewehr
auf die Sentinella zu
bringen hatte und sich
mit bitterer Miene den
Berg hinaufschuftete
– sie, die noch nie in
ihrem Leben einen
Berg gesehen hatten
und auf meinen Gruß
schimpften: ‚Vertei-
digt Eure Berge al-
lene!
[…]‘“
2
So be-
schreibt der junge
Standschütze Hans
Markart vom Stand-
schützenbataillon
Innsbruck seine erste
Begegnung mit den
Soldaten des Alpen-
korps, welches 1915
zur Unterstützung des
österreichisch-ungari-
schen Bündnispart-
ners an die Tiroler
Front entsandt wor-
den war. Warum es dazu kam und wie sich
der Einsatz des Alpenkorps in Tirol ge-
staltete, beschreibt der vorliegende Artikel.
Der Kriegsschauplatz am
Karnischen Kamm
Die Tiroler Front war bereits vor der ita-
lienischen Kriegserklärung am 23. Mai
1915 in fünf Subrayone eingeteilt worden
.
Der Kampfraum in den Dolomiten um-
fasste als Subrayon V (Pustertal) die
Grenzabschnitte 9 und 10 und erreichte
eine Länge von fast 90 Kilometern. Die
Grenzabschnitte 9 und 10 waren wiederum
in Grenzunterabschnitte und diese in
Kampfabschnitte unterteilt. Im Bereich des
Karnischen Kammes lagen die Kampfab-
schnitte 10b und 10c. Im Subrayon V galt
es vor allem, die Verkehrswege durch das
Pustertal, insbesondere die Bahnlinie, zu
sichern.
Die schweren Verluste in Russland und
Serbien, welche Tirol zum größten Teil von
seinen Truppen entblößt hatten, sowie der
Einsatz der Feldtruppen am Isonzo ließen
für die Verteidigung Tirols lediglich
Marsch-, Landsturm- und Reservebatail-
lone übrig. Zum Zeitpunkt der Kriegs-
erklärung standen im Subrayon V daher
lediglich sechseinhalb Marschbataillone
mit zwei mobilen Batterien, zwei Land-
sturmbataillone sowie ein Reservebataillon
des Infanterieregi-
ments 29. Dazu
kamen noch Gendar-
merie- und Finanz-
wachassistenzen und
sieben Standschüt-
zenbataillone. Ab Juni
1915 konnten schließ-
lich auch Truppen
von der russisch-ser-
bischen Front nach
Tirol verlegt werden.
Die Dolomitenfront
sollte auch durch
Sperren, die in den
achtziger Jahren des
19. Jahrhunderts er-
baut worden waren,
geschützt werden.
Allerdings waren die
Geschütze der Befes-
tigungen veraltet,
ebenso wie das mo-
bile Artilleriemate-
rial, das zudem nur in
geringer Zahl vorhan-
den war. Wegen man-
gelnder Modernität
wurden die Werke,
wie beispielsweise
die Werke der Sperre
Sexten, Haideck und
Mitterberg, teilweise bereits zu Kriegs-
beginn desarmiert.
Die Kriegserklärung Italiens an Öster-
reich-Ungarn traf das Landesverteidi-
gungs-Kommando im Frontabschnitt
„Karnischer Kamm“ trotz aller Vorzeichen
dennoch unvorbereitet. Die Befestigungs-
arbeiten waren nämlich ausschließlich im
Tal auf die Linie Hollbrucker Eck – Holl-
bruck – St. Oswald – Dorfberg ausgelegt
worden. Für einen Stellungsbau auf den
Kammhöhen war so gut wie nichts vorge-
sehen, auch lag im Mai 1915 auf den über-
wiegend nördlichen Hängen der Seiten-
täler noch reichlich Schnee. Außerdem
hatte man im Landesverteidigungs-
NUMMER 3-4/2016
84. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
„Andenken an Kartitsch 1915“; bayerische „Leiber“ und österreichisch-ungarische
Soldaten mit einem Zivilisten in Kartitsch.
Isabelle Brandauer
Das Alpenkorps im Pustertal
und am Karnischen Kamm 1915
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