OSTTIROLER
NUMMER 11-12/2018
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HEIMATBLÄTTER
1930 bis zum 2. Mai 1934. Großes Enga-
gement zeigte er als Abgeordneter zum Na-
tionalrat für den Bau des Osttiroler Be-
zirkskrankenhauses. Schon 1928 unter-
nahm er mit Landesrat Dr. Tragseil und
Hofrat Dr. Fabrizius sowie Baurat Ing.
Menardi eine Reise nach Südbayern und
Württemberg, um dort moderne Kranken-
häuser zu besichtigen. Dies geschah, da der
ihnen vom Sozialministerium zugestellte
Plan zum Bau des Osttiroler Bezirkskran-
kenhauses „
nicht unsere uneingeschränkte
Billigung
“
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erfuhr. Im folgenden Jahr
konnte er bereits Erfolge seiner Studien-
reise und seiner Bemühungen verzeichnen:
„
Die Schaffung des Krankenhauses war so-
weit gediehen, dass mit dem Bau selbst be-
gonnen werden konnte. Es war mir gelun-
gen, nördlich der Stadt einen großen, schö-
nen Baugrund anzukaufen, der aber noch
durch keine Zufahrtsstraße erschlossen
war. Diese sollte die Stadtgemeinde, die ja
vom Bestand des Krankenhauses den größ-
ten Nutzen ziehen würde, kostenlos bei-
stellen.
[…]
Erst nach längeren, verdrieß-
lichen Verhandlungen, wobei Landes-
hauptmannstellvertreter Dr. Hans Peer
bereits einmal die Verlegung des Kranken-
hauses außerhalb von Lienz nach Unter-
nussdorf angedroht hatte, übernahm die
Stadt die Erbauung der Zufahrtstraße. So
konnte der Rohbau vergeben und gleich
darauf mit den Bauarbeiten begonnen wer-
den.
“
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Erich Kneußl, der Vorsitzender des
Bauauschusses war, erinnert sich in seinen
Lebenserinnerungen neben den Schwie-
rigkeiten der Bestellung von qualifizierten
Fachärzten – ein heimischer Arzt war nicht
glücklich über seine „Nicht-Bestellung“ als
Internist – auch an die Eröffnungsfeier-
lichkeiten. Diese fanden am 8. September
1931 im Beisein von Bundespräsident Wil-
helm Miklas und Bischof Dr. Sigismund
Waitz statt. „
Ich schloss meine Rede, mit
der ich vor dem Portal die Festgäste be-
grüßte, mit den Worten: ‚Möge die Gottes-
mutter auf dem Altarbild eine Helferin sein
jenen, die hier eingehen und eine Trösterin
beim letzten Gang für jene, denen es nicht
mehr vergönnt ist, Heilung zu finden.
‘“
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Dass sich Erich Kneußl während seiner
Arbeit in Wien auch für „seinen“ Bezirk
engagierte, zeigen diese zwei Passagen:
„
Neben meiner ziemlich anstrengenden
Tätigkeit in Wien durfte ich natürlich mei-
nen Wahlbezirk nicht vernachlässigen.
Sooft ich von Wien zurück kam, fand ich
reichlich Arbeit vor. Besonders viel Arbeit
machte mir die Organisation der Bauern-
kammer und die Vertretung der landwirt-
schaftlichen Belange. Auch um die Ausge-
staltung des Telephonnetzes und der
Kraftfahrlinien bemühte ich mich sehr.
[…]
Auch für die Errichtung einer zweiten
Apotheke in Lienz setzte ich mich ein, um
eine gesunde Konkurrenz gegen die beste-
hende zu schaffen.
“
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Nicht nur in größe-
ren beziehungsweise langfristigeren Pro-
jekten konnten sich die Osttiroler auf ihren
ehemaligen Bezirkshauptmann verlassen.
Auch akute Hilfe konnte er in seiner Funk-
tion als Abgeordneter zum Nationalrat bie-
ten, wie die Schilderungen dieses Ereig-
nisses zeigen: „
Im Februar
[1931, Anm.]
ereignete sich im Villgratental eine schwere
Lawinenkatastrophe, die auch Opfer unter
der bäuerlichen Bevölkerung forderte. Ich
brachte daher am 13. März im Parlament
mit Erfolg einen Antrag auf Gewährung
einer Notstandshilfe ein.
“
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Ende der 1920er-Jahre gab es die Be-
strebung, ein Tauernkraftwerk zu bauen.
Im Zuge der Planung kam es zu einer Be-
gehung des vorgesehenen Gebietes, zu der
Erich Kneußl 1929 eingeladen wurde. Der
Bau des Kraftwerkes wurde unter anderem
wegen seiner Einwände nicht realisiert:
„
Es war geplant, die von den Bergen her-
abfließenden Gewässer in Kanäle, soge-
nannten Hängekanälen, zu sammeln und
die Kanäle zusammenzuleiten. Da auch
die südlich der Tauern, also auf Osttiroler
Gebiet anfallenden Gewässer mit einbe-
zogen werden sollten, hatte Osttirol großes
Interesse und befürchtete, dass durch die
Ableitung größerer Wassermengen die
Wasserwirtschaft in Osttirol geschädigt
werden könnte.“
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Dafür engagierte er sich
im Bau anderer Kraftwerke, wie dieser
Auszug aus den Lebenserinnerungen
zeigt:
„Am 15.
[Oktober 1930, Anm.]
fand
die feierliche Einbeziehung der Dörfer
Hollbruck, Kartitsch, Ober- und Untertil-
liach in die Stromversorgung aus dem neu-
errichteten Kraftwerk am Villgratenbach
statt. Da ich mich um die Errichtung die-
ses Werkes und die Einbeziehung des Til-
liacher Tales sehr bemüht hatte, wurde mir
von diesen vier Gemeinden das Ehrenbür-
gerrecht verliehen und
[ich]
erhielt bei die-
ser Gelegenheit die Ehrenbürgerdiplome
überreicht
.“
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Auf Erich Kneußls Grab-
stein in Hall in Tirol ist eine Auflistung sei-
ner Ehrenbürgerschaften zu lesen. Dazu-
gehört auch jene des damals österreichi-
schen, jetzt italienischen Sexten und ein
Eintrag ins Ehrenbuch der Universität
Innsbruck im Jahr 1968.
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Insgesamt lehnte Erich Kneußl drei Mal
eine Berufung ins Ministerium ab. Ihm
war eine Arbeit in und für Tirol wichtig.
1933 wurde er zum ersten Obmann-Stell-
vertreter des Tiroler Bauernbundes ge-
wählt, 1934 folgte die Bestellung zum
Bundeswirtschaftsrat und Mitglied des
Bundestages.
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Im Jahr 1931 übersiedelte
die Familie nach Hall in Tirol. Im Jahr
1936 wurde Erich Kneußl zumWirklichen
Hofrat ernannt. Er war Mitglied des Öster-
reichischen Alpenvereins, der Vaterländi-
Glasgemälde mit dem Motiv der Schmer-
zensmutter mit dem Leichnam christi, ent-
worfen von Karl Rieder (Schwaz), für die
neue Krankenhaus-Kapelle gestiftet von
Dr. Erich Kneußl.
Foto: Manfred Gasser
Eröffnungsfeier des neuen Bezirkskrankenhauses Lienz am 8. September 1931, an des-
sen Zustandekommen Bezirkshauptmann Dr. Erich Kneußl wesentlich beteiligt war.