OSTTIROLER
NUMMER 11-12/2018
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HEIMATBLÄTTER
Gerne schwammen wir alle vier zusammen
über den See, voraus meine Frau, an deren
Seite tummelten sich rechts und links die
Buben und ich bildete die Nachhut
.“
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Dass die in den Jahren 1924/1925 er-
richtete Kriegergedächtniskapelle in Lienz
hohe Wellen schlug, war auch Erich
Kneußl bewusst. In seiner beruflichen
Funktion wurde er in viele Gemeinden zu
Einweihungsveranstaltungen von Kriegs-
gedächtnisdenkmälern geladen. In Lienz
stellte die Ausgestaltung durch den Künst-
ler Albin Egger-Lienz aber ein politisches
und moralisches Problem dar:
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„Alle
diese Feierlichkeiten wurden von der an-
lässlich der Enthüllung des Bezirkskrie-
gerdenkmals in Lienz am 7. und 8. Sep-
tember 1924
[die Einweihungsfeierlich-
keiten fanden im Jahr 1925 statt! Anm.]
stattgefundene in den Schatten gestellt.
Das Denkmal und die Enthüllungsfeier-
lichkeiten waren beispielgebend für ganz
Tirol, ja für Österreich. Die Arkaden des
alten Pfarrfriedhofes in Lienz wurden zu
einem einzig dastehenden Denkmal, in
dem alle imWeltkrieg gefallenen Osttiroler
auf Tonplatten angeschrieben wurden, aus-
gestaltet. In der Mitte wurde eine Kapelle
erbaut und mit Bildern vom Kunstmaler
Albin Egger-Lienz, einem Osttiroler, aus-
geschmückt. Damit wurden die künstle-
risch wertvollen Arkaden vor dem Verfall
gerettet und gleichzeitig ein auch histo-
risch wertvolles Denkmal geschaffen.
Einzelne, sehr naturalistisch gehaltene Bil-
der in der Kapelle fanden freilich bei der
Bevölkerung keinen besonderen Beifall.
Auch ich möchte mich nicht ganz von die-
sen Bevölkerungskreisen ausschließen,
wenn ich auch gewiß die in den Bildern
liegende Wuchtigkeit und Herbheit aner-
kenne und sie der Süßlichkeit des 19. Jahr-
hunderts vorziehe. Ein Bild, die Auferste-
hung Christi, erregte damals das Miss-
fallen hoher kirchlicher Kreise in Rom, so
dass durch viele Jahre hindurch die ge-
weihte Kapelle nicht zum Zelebrieren be-
nutzt werden durfte.“
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Auch das gesellschaftliche Leben wäh-
rend seiner Zeit in Lienz ließ Kneußl
Revue passieren: „
1923 war die Instand-
setzung und Ergänzung unserer im Kriege
schwer beschädigten Einrichtung so ziem-
lich abgeschlossen, so dass wir bequem
und standesgemäß wohnen konnten. Zur
Feier dieses Umstandes luden wir am Fa-
schingssonntag unsere guten Bekannten zu
einem Hausball ein, der in den drei neu-
gemalten und größtenteils neueingerichte-
ten Südzimmern unserer Wohnung, dem
Herrenzimmer, dem Speisezimmer und
dem Kinderzimmer, stattfand. Der Ball, an
dem bei 30 Personen teilnahmen, gelang
ausgezeichnet und bildete noch lange das
Stadtgespräch von Lienz, war es doch seit
der Ära der gräflichen Bezirkshauptleute
in den Neunzigerjahren des vorigen Jahr-
hunderts wieder der erste Ball gewesen,
der in der Lieburg
[!]
stattfand. Vom ele-
ganten Schwarz der Herren hoben sich die
schi-cken, bunten Ballkleider der Damen
und die Uniformen der Offiziere der neuen
Wehrmacht und besonders die schmucke
Kaiserschützenuniform, in der Oberst
Busch erschienen war, ab. Im Speisezim-
mer hatte meine Frau ein reichliches Buf-
fet guter Sachen aufgebaut. Erst gegen
Morgen verließen uns unsere Gäste.“
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Bezirkshauptmann Dr. Erich Kneußl an seinem Schreibtisch in der
Liebburg. Das Mobiliar und diverse Einrichtungsgegenstände befinden
sich heute noch in Familienbesitz.
Die Familie Kneußl im Jänner 1927 im Speisezimmer ihrer Wohnung
in der Liebburg; von links: Werner, Lydia, ein Dienstmädchen, Erich,
Edith, eine unbekannte Person, Kurt.
Der Garten hinter der Liebburg diente der Familie Kneußl nicht nur als beliebtes Fotomotiv, sondern auch als Nutzgarten und Spiel-
paradies für die Kinder. Im Foto (links), im März 1926 aufgenommen, sind (von links) das Dienstmädchen, Kurt, Erich, Lydia mit Edith und
Werner zu sehen. Den Garten gibt es heute nicht mehr, an seiner Stelle befindet sich der „Europaplatz“ mit dem Kaiser Josef-Denkmal.