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Nachfolgend werden der politische Be-

amte Dr. Erich Kneußl und seine Tätigkeit

in Lienz skizziert. Seine „Lebenserinnerun-

gen“ als wichtige historische Quelle sind im

Archiv der Familie Kneußl erhalten.

1

Die Lebenserinnerungen Erich Kneußls

sind ein Stapel loser Blätter. Der gesamte

Umfang beträgt 365 maschinengeschrie-

bene Seiten, beginnt mit den Erinnerungen

an seine Kindheit und endet mit der Be-

schreibung des Silvesterabends 1945.

Vereinzelt fehlen Seiten, es kann dennoch

die stringente Erzählung seines Lebens

nachvollzogen werden. Der Autor begann

glaublich während der Zeit seiner Zwangs-

pensionierung in den Jahren 1938 bis 1945

mit dem Verfassen des Dokumentes.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg redi-

gierte er seine Erinnerungen immer wie-

der, wie spätere handschriftliche Einfü-

gungen, Ausbesserungen und Datumsan-

merkungen belegen. Eine letztmögliche

Datierung ist für das Jahr 1963 gegeben.

Als Erinnerungshilfen dienten dem Ver-

fasser seine Tagebuchaufzeichnungen und

Briefe an seine Eltern, seine Verlobte und

spätere Ehefrau Lydia Kneußl sowie an

andere Familienmitglieder. Neben seinen

Memoiren arbeitete Erich Kneußl auch an

der Weiterführung der Familienchronik

2

,

die er schon vor dessen Tod gemeinsam

mit seinemVetter, General der bayerischen

Infanterie, Paul Kneußl, betrieb. Die Aus-

gestaltung eines Familienarchivs, welches

heute noch, im Privatbesitz bestehend, ge-

nutzt wird, zählte ebenfalls zu seinen Frei-

zeitaktivitäten. Zu sämtlichen schriftlichen

Quellen von Erich Kneußl und seinen Vor-

fahren gesellt sich auch reiches Bildmate-

rial. Eine Fotosammlung mit etwa 5.000

Bildern wurde 2014 an das TAP (Tiroler

Archiv für photographische Dokumenta-

tion und Kunst, Lienz, Leiter: Dr. Martin

Kofler, MA) übergeben. Dort ist eine fach-

gerechte Lagerung und professionelle Er-

schließung möglich. Viele Erlebnisse und

Aktivitäten von Erich Kneußl wurden auf

katholischen, konservativen und bürger-

lichen farbtragenden Verbindung, als Fuchs

mit dem Coleurnamen „Klaus“ bei.

6

Im sel-

ben Jahr begann er das Studium der Rechts-

wissenschaften an der Universität Inns-

bruck.

7

Er promovierte im Jahr 1909 und

absolvierte imAnschluss bis April 1910 die

Probepraxis als Beamter in Lienz. Am Ende

dieser Zeit wurde ihm bescheinigt, dass er

sie mit „

vollkommen zufriedenstellendem

Erfolg“

abgeschlossen habe und in Lienz

bleiben dürfe. In Lienz beendete er seine

dreijährige Zeit als Konzeptspraktikant

und legte die praktische Prüfung für die

politische Geschäftsführung mit Erfolg ab.

Wie aus diversen Schreiben der Statthalterei

hervorgeht, erhielt er durch seine sehr guten

Leistungen oftmals Lob.

8

Lienz prägte Erich Kneußl von Anfang

an. Über seine erste Reise aus beruflichen

Gründen in die Stadt schrieb er in seinen

Lebenserinnerungen:

Am 5. April

[1910, Anm.]

um ¾ 12 Uhr

Mittag fuhr ich mit Papa, der mich bis

Innsbruck begleitete, von Schwaz ab. Beim

rückwärtigen Gartentor verabschiedete ich

mich noch von Mama und Lydia, die bei-

den weinten.

[…]

Dann fuhr ich über den

mir von meinen zahlreichen Fahrten nach

Meran so wohlbekannten Brenner nach

Franzensfeste und von dort in das mir

noch unbekannte Pustertal. Während in

Nordtirol schon mildes Frühlingswetter

herrschte, war von Toblach bis Sillian

tiefster Winter. Um 7 Uhr kam ich in Lienz

an und begab mich in den mir von meinen

Eltern empfohlenen Gasthof Schwarzer

Adler, wo ich ein Zimmer nahm. Abends

machte ich noch einen Rundgang in der

Stadt, von der mir meine Eltern so viel er-

zählt hatten. Lienz machte mir, obwohl das

Wetter alles eher als freundlich war, gleich

schon einen guten Eindruck, besonders der

Untere Stadtplatz mit der Lieburg

[sic!]

,

dem Sitze der Bezirkshauptmannschaft.

Dieser gute Eindruck von Lienz blieb mir

erhalten. Nur ungern verließ ich – das

11-12/2018

86. JAHRGANG

OSTTIROLER

HEIMATBLÄTTER

H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “

Katharina Seeber

Bezirkshauptmann

Dr. Erich Kneußl (1884-1968)

Der erste Lienzer Bezirkshauptmann in der Republik Österreich und seine Erinnerungen an Osttirol

Dr. Erich Kneußl, ehemaliger Lienzer

Bezirkshauptmann, in den 1960er-Jahren.

diesen Bildern festgehalten, wie eine hier

abgedruckte Auswahl zeigt.

Erich Franz Joseph Kneußl, der Zeit sei-

nes Lebens an vielen verschiedenen Orten

lebte, erblickte als Sohn von Anna Adelinde

Kneußl, geborene Ofner, am 30. März 1884

in Lienz das Licht der Welt.

3

Sein Vater

Anton Maximilian war zur damaligen Zeit

in der Bezirkshauptmannschaft Lienz als

Bezirkskommissär tätig. Erich Kneußl hatte

noch eine Schwester namens Elfriede

(1887-1920). Bis 1888 lebte die Familie in

Lienz, im Anschluss bis 1891 in Innsbruck

und dann in Schwaz.

4

Die Volksschule be-

suchte der junge Erich Kneußl in Innsbruck

und Schwaz. Ab 1896 war er bis 1904

Schüler des k. k. Obergymnasium der Be-

nediktiner in Meran und schloss seine

Schulzeit mit der Matura ab.

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Am 11. Jänner

1905 trat Erich Kneußl der akademischen

Verbindung (A.V.) Austria Innsbruck, einer