OSTTIROLER
NUMMER 11-12/2018
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HEIMATBLÄTTER
erste Mal 1912, das zweite Mal 1931 –
Stadt und Bezirk, die ich und meine spä-
tere Familie in all den Jahren, die wir dort
verbrachten, so lieb gewonnen hatten, und
an die mich Zeit meines Lebens freund-
liche Erinnerungen knüpfen.“
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Es folgten Dienstortwechsel innerhalb
Tirols, wie es unter den Beamten damals
üblich war. Am 20. August 1912 erhielt
Kneußl den Befehl, sich in die Bezirks-
hauptmannschaft Cles in Welschtirol als
k. k. Statthaltereikonzipist zum Dienst zu
begeben. Beim dortigen Bezirkshaupt-
mann legte er am 17. März 1913 den
Diensteid ab. Am 27. Jänner 1914 er-
reichte ihn ein Schreiben der Statthalterei,
dass er sich mit sofortiger Wirkung zu sei-
nem neuen Dienstort, der Bezirkshaupt-
mannschaft Tione, begeben sollte. Kaum
dort eingelebt, wurde ihm am 13. Juli 1914
mit Mezzolombardo ein neuer Dienstort
als Bezirkskommissär zugewiesen. In
Mezzolombardo trat er am 27. Juli 1914,
mit einem Schreiben vom Bezirkshaupt-
mann von Tione zu seinen außergewöhn-
lichen Leistungen als Statthaltereikonzi-
pist, seinen neuen Dienst an. Dort widmete
er sich nach der Kriegserklärung Italiens
an Österreich-Ungarn 1915 hauptsächlich
der Mobilisierung und Approvisionierung,
also der Versorgung des Bezirks mit
Lebensmitteln und Bedarfsartikeln.
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Als bedeutendes Ereignis dieser Zeit ist
im Privaten seine Hochzeit mit Lydia
Greussing 1914 zu nennen. Sie wurde am
17. August 1891 als Lydia Maria Wilhel-
mine ebenfalls in Lienz geboren. Ihre
Eltern waren August Greussing, ein Ver-
kehrsbeamter der Südbahn, und Angelica
Aloisia Tschan. Lydia Kneußl überlebte
ihren Mann um sechs Jahre und starb am
24. November 1974 in Hall in Tirol.
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Die
Trauung wurde von Erich Kneußls Vetter,
dem Pfarrer Wilhelm Reinthaler, am 27.
Oktober 1914 in Innsbruck durchgeführt.
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Gleich nach der Hochzeit übersiedelte
Lydia Kneußl zu ihrem Mann nach Mez-
zolombardo. An seinen nächsten Dienstort,
Ampezzo, folgte sie ihm 1917 nicht, wohl
aber später nach Lienz, wo sie mit ihrer Fa-
milie die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts
verbrachte. Der erste Sohn des Ehepaares,
Werner Kneußl, wurde am 25. Juli 1915
mitten im Krieg in Mezzolombardo gebo-
ren. Der zweite Sohn, Kurt, kam ebenfalls
in Mezzolombardo am 18. Februar 1918
auf die Welt. Das dritte Kind, Edith Kneußl,
verheiratete Fischer, folgte am 13. März
1926 in Lienz.
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Die Familie übersiedelte,
als der Vater Nationalratsabgeordneter in
Wien wurde, nicht mit in die Bundeshaupt-
stadt, sondern 1931 in ihr Haus in Hall in
Tirol. Dieses hatte Erich Kneußls Vater
Anton 1903 erworben. Es bildete den Mit-
telpunkt des Lebens von Erich Kneußl, da
er hierher immer zurückkam und hier
seinen Lebensabend verbrachte.
In der Ersten Republik setzte Erich
Kneußl seine Karriere fort. Am 23. No-
vember 1918 ereilte ihn ein Schreiben, wo-
nach er seiner Funktion als Leiter der Be-
zirkshauptmannschaft von Cortina d‘Am-
pezzo, welche er seit November 1917
innehatte, enthoben sei und sich zum Dienst
in die Statthalterei nach Innsbruck begeben
sollte. Doch schon wenig später, am 9. De-
zember 1918, wurde er zum Bezirkshaupt-
mann von Lienz ernannt. Den offiziellen
Titel eines Bezirkshauptmannes durfte er
mit dem Dekret vom 24. März 1921 führen.
Sein Vorgänger war Josef Rossi, der
letzte Lienzer Bezirkshauptmann in der
Zeit der Monarchie. Mit dem Waffenstill-
stand vom 3./4. November 1918 war der
Erste Weltkrieg zu Ende gegangen. Die
Folgen des unmittelbaren Kriegsendes
waren besonders im Bezirk Lienz durch
Wochen spürbar. Hunderttausende Solda-
ten des k. k. Militärs strömten von der
Front im Süden in ihre Herkunftsländer
zurück. Davon waren Etsch-, Eisack- und
dann das Pustertal und der Lienzer Raum
sehr stark betroffen. Dies führte teilweise
zu chaotischen Zuständen. Nach einem
Bericht in der Chronik der Lienzer Stadt-
pfarre St. Andrä begaben sich Lienzer Bür-
ger zum Bezirkshauptmann Josef Rossi,
warfen ihm vor, zum Chaos beigetragen zu
haben und forderten ihn auf, seine Stelle
zu räumen. Josef Rossi wich der Gewalt,
übergab die Amtsführung dem Kommissär
Dr. Sandbichler und reiste nach Innsbruck.
An der Tür der Bezirkshauptmannschaft
wurde ein „Manifest“ angeschlagen, aus
dem der wohl eigentliche Grund der Ver-
treibung Josef Rossis hervorging. Er
stammte aus Trient und galt nun nach dem
Umsturz nicht mehr als Tiroler, sondern
Der Ansitz Liebburg am Kaiser Josef-Platz, heute Hauptplatz; seit Einführung der Be-
zirkshauptmannschaften in Tirol im Jahr 1868 Sitz der obersten Verwaltungsbehörde des
Bezirks Lienz; Aufnahme um 1920.
Der Lienzer Nationalrat, der sich gleich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Anfang
November 1918 konstituierte und die Geschicke des Bezirks Lienz in die Hand nahm bis
die Verwaltungstätigkeit unter dem neu eingesetzten Bezirkshauptmann Dr. Erich Kneußl
voll funktionierte.
(TAP – Sammlung Stadtgemeinde Lienz, Archiv Museum Schloss Bruck)
Foto: Maria Egger