Previous Page  8 / 8
Information
Show Menu
Previous Page 8 / 8
Page Background

OSTTIROLER

NUMMER 5-6/2016

8

HEIMATBLÄTTER

Annemarie Bachler – Dieter Moritz

Der Raufußkauz

Aegolius funereus

in Osttirol

Der Winterwald ist sein Kühlschrank, tiefgefrorene Nahrung erwärmt er durch Bebrütung

etwas weniger die Weibchen wandern be-

sonders nach Jahren mit gutem Bruterfolg.

Die bezirksweite

Brutverbreitung

täuscht einen Schwerpunkt im Raum

Lienz vor. Tatsächlich wird sie bezirksweit

alle Waldgebiete umfassen, die den Le-

bensraumansprüchen der Art entsprechen:

unterholzarme Nadelwälder mit geringem

Laubholzanteil, naturnahe Altholzbestände

der Fichte mit hohem Höhlenangebot

durch eingestreute Buchen, Waldränder

und Waldlücken, offene Schneisen, alles

bevorzugt mit Nisthöhlen vom Schwarz-

specht. Als Tageseinstand dienen dichte

Nadelholzbereiche. Die Nachweise in

Osttirol schließen sich direkt an die Nach-

weise in Oberkärnten und in Südtirol an

(F

ELDNER

, R

ASS

, P

ETUTScHNIG

et al. 2006;

N

IEDERFRINIGER

, S

cHREINER

et al. 1996).

Höhenverbreitung: Sie beginnt bei 800 m

(Tristacher See); liegt meist zwischen

950 m und 1.350 m Höhe und einmal bei

1.700 m (oberhalb Zedlach).

Gefährdung: Waldwirtschaftliche Maß-

nahmen wie kurze Umtriebszeiten verrin-

gern seinen Lebensraum und führen zur

Zerschneidung und Verinselung seines

Streifgebietes, etwa durch Straßen- und

Wegebau. Es kommt zu Verlust von Höhlen-

bäumen. Auch ganzjährige Beunruhigung

und Störung im Brutgebiet, etwa Straßen-

lärm und Freizeitgeräusche, führen zu

Brutverlusten. Der Raufußkauz wird oft

Beute vom Uhu, noch häufiger vomWald-

kauz, da er von allen dreien die kleinste

Art ist (M

EBS

& S

cHERZINGER

2000).

Schutz: Altholzbestände aus Nadelwald

müssen störungsfrei gehalten werden,

etwa durch Freizeit- und Erholungsbetrieb

(Straßenverkehr, Pilze- und Beerensamm-

ler); notfalls Wegegebot. Beruhigung des

Lebensraumes durch Sperrung geeigneter

Waldstücke. Dort auch keine großflächi-

gen Kahlschläge. Der Raufußkauz nimmt

als Höhlenbrüter speziell für ihn angefer-

tigte Nisthöhlen an. In seinen Revieren

aber auf keinen Fall den Waldkauz durch

Nisthöhlen fördern.

Literatur:

A

LTHAMMER

, L. (1857): Verzeichnis der bis jetzt in Tyrol

beobachteten Vögel. Naumannia 7: 392-404.

D

ALLA

T

ORRE

, K. W.

VON

& F. A

NZINGER

(1896/97): Die

Vögel von Tirol und Vorarlberg. Mitt. Orn. Ver. Wien 20:

2-5, 61-68, 102-107, 131-143; 21: 5-12, 30-38, 61-70,

91-140; 21: Erg.Nr.1-36.

D

VORAK

, M., A. R

ANNER

& H.-M. B

ERG

(1993): Atlas der

Brutvögel Österreichs. Ergebnisse der Brutvogelkartierung

1981-1985. Umweltbundesamt Wien, Wien, 522 Seiten.

F

ELDNER

, J., P. R

ASS

, W. P

ETUTScHNIG

, S. W

AGNER

, G.

M

ALLE

, R. K. B

UScHENREITER

, P. W

IEDNER

& R. P

ROBST

(2006): Avifauna Kärntens. Die Brutvögel. Naturwiss.

Verein f. Kärnten, Klagenfurt.

G

LUTZ VON

B

LOTZHEIM

, U. N. & K. M. B

AUER

(1980):

Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 9. columbi-

formes bis Piciformes. Wiesbaden.

K

ÜHTREIBER

, J. (1952): Die Vogelwelt der Lienzer Gegend.

Schlern–Schriften 98: 225-243.

M

EBS

, T. & W. S

cHERZINGER

(2000): Die Eulen Europas.

Biologie, Kennzeichen, Bestände. Stuttgart.

M

ORITZ

, D. &A. B

AcHLER

(2001): Die Brutvögel Osttirols.

Ein kommentierter Verbreitungsatlas. Im Selbstverlag,

Lienz.

N

IEDERFRINIGER

, O., P. S

cHREINER

& L. U

NTERHOLZNER

(1996): Aus der Luft gegriffen. Atlas der Vogelwelt Süd-

tirols. Bozen.

S

cHWERDTFEGER

, O. (2012): Welche Informationen ergeben

sich aus dem Gesang des Raufußkauzes Aegolius fune-

reus? Vogelwarte 50: 264-265.

Von Mitte Feber bis Mitte April herrscht

in Osttirol Hochwinter. Die Fichtenwälder

der Berghänge liegen unter geschlossener

Schneedecke. Klirrende Kälte durchdringt

jedes Lebewesen. In windstiller Abend-

dämmerung sind aus ruhigen Wäldern

Eulenrufe hörbar. Wie aus einer Okarina

erklingen fünf bis neun Flötenrufe, gereiht

in Strophen und vorgetragen in ansteigen-

der Tonlage und Lautstärke. Sie klingen

wie „gju – gju – gju –“. Der starengroße

Raufußkauz singt und balzt. Seinen

Namen verdankt er weißen Federn. Sie be-

decken, dicht an dicht stehend, seine Läufe

und Zehen bis zum Krallenansatz. Ein

guter Kälteschutz.

Kälte hilft ihm in langen Winterfrost-

perioden seine Nahrung zu rationieren. Bei

gutem Mäuseangebot verteilt er seine Beute

auf Vorratslager, etwa Baumhöhlen, die er

als Nisthöhlen nicht verwendet. Tief gefro-

ren warten Waldmäuse und Wühlmäuse auf

spätere Verwendung. Ein rascher Wetter-

wechsel mit viel Schneefall sorgt oft dafür,

dass der Kauz tagelang nicht jagen kann.

Die Lösung: Eine Maus aus dem Beute-

speicher wird durch seine Körperwärme

aufgetaut. Er überträgt also seine Körper-

wärme auf die Beute, ein Vorgang, den man

Brüten oder Hudern nennen kann.

Lange war wenig über den Raufußkauz

bekannt. Um 1850 war unsicher, ob er „in

Tyrol nistet“ (A

LTHAMMER

1857). Und um

1900 galt er in Tirol und Vorarlberg ledig-

lich als „seltener Wintergast“ (D

ALLA

T

ORRE

&A

NZINGER

1896/97). Zu Osttirol:

um 1950 wurde er „im engeren Lienzer

Bereich“ als Brutvogel noch nicht nach-

gewiesen, nach Aussagen anderer sei er

aber Brutvogel im Isel- und Villgratental

(K

ÜHTREIBER

1952). Und von 1981-1985

wurden nur in zwei Rastern mit einer

Fläche von fünf Längen- mal drei Brei-

tenminuten „Brut möglich“ ermittelt (D

VO

-

RAK

, R

ANNER

& B

ERG

1993). In den drei

Jahren von 1996 bis 1998 aber waren es

sechs Raster mit Bruthinweisen oder Brut-

nachweisen (M

ORITZ

& B

AcHLER

2001).

Aus den 15 Jahren von 1999-2013 lie-

gen neue Daten vor. Als Zufallsergebnisse

schwanken sie von Jahr zu Jahr sehr stark.

Ihre jahreszeitliche Verteilung beruht auf

Gesangsfeststellungen. Der Reviergesang

besteht aus 5 bis 9 Silben (Einzelelemente)

und ist etwa 500 m weit hörbar. Er setzt

Mitte Feber ein, ist im März sehr intensiv

und endet um Mitte April. Später wurde

Gesang aber noch gehört am 5. Mai 2001

auf 1.100 m und am 18. Mai 2000 auf

1.500 m (Nachpfeifen durch Leo Krane-

bitter). Nicht mitgezählt wurde ein Ruf,

der am 28. August 2008 um 21.30 Uhr auf

1.530 m erklang. Die Gesangszeiten wur-

den nur abends erfasst. In der Dämmerung

setzte der Gesang frühestens um 17 Uhr

ein und erreichte einen Höhepunkt zwi-

schen 18.30 und 19 Uhr. Es liegen auch

zwei Rupfungen vor (Feber, Dezember).

Aufgeschlüsselt nach Brutstatus ergibt

sich aus den Daten:

Brut möglich

– Die meisten Nachweise

beruhen auf Gesangsfeststellungen. Für sie

gilt eine Einschränkung: „Singende Rau-

fußkäuze sind meistens unverpaarte Männ-

chen“ (S

cHWERDTFEGER

2012).

Brut wahrscheinlich –

Dafür liegen nur

drei Fälle vor, die auf dem Zeigeroller be-

ruhen. Dieser wurde nur ausnahmsweise ge-

hört. Er ist leiser als der Reviergesang, viel-

silbig und wird in langen Rufreihen vorge-

tragen. Damit will das

?

dem

?

die

Bruthöhle zeigen (G

LUTZ VON

B

LOTZHEIM

&

B

AUER

1980). In diesen drei Fällen waren

die Beobachter dem Neststandort sehr nahe.

Ein

Brutnachweis

wurde am 30. Mai

2007 erbracht durch Beobachtung eines

flüggen Jungvogels im typischen schoko-

ladenbraunen Jugendkleid. Er erbeutet

eine Maus und speit einen Speiballen aus

(A. Bachler).

Als alljährlicher Brutvogel ist der Rau-

fußkauz ganzjährig ortstreu. Männchen sind

Standvögel, oft reviertreu, Jungvögel und

IMPRESSUM DER OHBL.:

Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren

verantwortlich.

Anschrift der Autoren dieser Nummer: Mag.

Herbert Angerer, Am Haidenhof 12 i, A-9900

Lienz,

herbert.angerer@blu.co.at

– Helmut

Deutsch, Bannberg 22, A-9911 Assling, E-Mail:

deutsch.h@gmx.at

– Annemarie Bachler und

Univ.-Doz. Dr. Dieter Moritz, Kärntner Straße 7,

A-9900 Lienz; E-Mail:

dieter.moritz@aon.at

– OSR

Alois Heinricher, HS-Dir. i. R., Roter Turm-Weg 1,

A-9900 Lienz; E-Mail:

alois.heinricher@aon.at

Mag. Dr. Oliver Stöhr, Alt-Debant 3c/22, A-9990

Nußdorf-Debant; E-Mail:

oliver.stoehr@gmx.at.

Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-

ter“ sind einzusenden an die Redaktion des

„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,

A-6176 Völs, Albertistraße 2 a; E-Mail: mein-

rad.pizzinini@chello.at

Raufußkauz: eine großköpfige Eule mit

weißem Gesichtsschleier und gelber Iris.

Foto: Hannes Rass