OSTTIROLER
NUMMER 2/2018
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HEIMATBLÄTTER
der mongolischen Steppe. Diese Nomaden
tauchten nach der Mitte des sechsten Jahr-
hunderts auf dem Balkan auf und besetz-
ten die heutigen Gebiete der Walachei, Sie-
benbürgens und Ungarns. Dort wurden die
Langobarden durch die Awaren zum
Abzug nach Italien veranlasst.
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Die Awaren hielten die Eroberungszüge
der Baiuwaren auf. Die Quellen erwähnen
ein besonderes Merkmal des Awarenvol-
kes: Die Männer trugen Zöpfe.
Im Jahre 582 eroberten sie die zentrale
Stadt des Illyricums, Sirmium. Sie drangen
weiter nach Dalmatien, Istrien und Friaul
vor. Ihre Herrschaftszone reichte bis zum
bairischen Gebiet, wobei die Enns die
Grenze bildete. Die Awaren waren eine
Bedrohung für das vorhandene Christen-
tum. Unter anderem vernichteten sie den
Bischofssitz Lauriacum (Enns-Lorch).
Auch für Byzanz waren sie eine große Ge-
fahr und erpressten hohe Tribute. Erst Karl
der Große konnte das Reich der Awaren
endgültig zerstören, und damit hatte auch
der Christianisierungsprozess freie Bahn.
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Slawen
Der Raum zwischen den Karpaten und
dem Dnjepr ist als Heimatgebiet der Sla-
wen anzunehmen.
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Als „Venedi“ (Wen-
den) werden sie in antiken Quellen be-
zeichnet. Die Bezeichnung ist wissen-
schaftlich noch nicht geklärt. Wie bereits
die Hunnen, aus der südrussischen Steppe
kommend, die germanischen Völkerbewe-
gungen auslösten, brachten die Awaren die
Slawen in Bewegung. Die Slawen spalte-
ten sich in einen nördlichen und einen süd-
lichen Zweig. Nach Beginn des sechsten
Jahrhunderts stieß der südliche Zweig der
Slawen auf den Balkan vor, wurde jedoch
von den Awaren unterworfen. Dann flüch-
teten sie und kamen in die Ostalpenge-
biete, wo sie bis ins obere Pustertal vor-
drangen. Die Südslawen zogen in den böh-
mischen Kessel und dann in die Ostalpen,
wo sie sich in der Steiermark, in Kärnten
und in Krain niederließen und den Namen
Karantanen annahmen. Diese
„Alpensla-
wen“
wurden aber auch als
„Windische“
oder
„Slowenen“
bezeichnet.
Bei dieser Wanderung ging das norische
Christentum unter, und die Stadt Teurnia
wurde zerstört. Die Karantanen der Ostalpen
organisierten sich unter der Leitung eines
Dux. Sie konnten sich bis ins achte Jahrhun-
dert hinein gegen die Baiuwaren behaupten.
Baiuwaren
Als „Findelkinder der Völkerwande-
rung“
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wurden die Baiern bezeichnet, denn
sie tauchten im sechsten Jahrhundert plötz-
lich auf. Ihre Herkunft ist bis heute nicht
eindeutig geklärt.
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In älteren wissenschaft-
lichen Diskursen wurde die Meinung ver-
treten, dass die „Herkunft“
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der Baiern
durch eine Einwanderung im großen Stil,
d. h. als geschlossener Volkstamm, ge-
schah. Dieser Ansicht steht man nun kriti-
scher gegenüber. Die neuere Forschung
spricht nicht mehr von einer Einwanderung,
sondern eher von einer „Volkwerdung“
(Ethnogenese) aus verschiedenen germani-
schen Völkersplittern, wie beispielsweise
Thüringer, Markomannen, Alemannen,
Sueben, Rugier, Langobarden, Skiren und
aus den zurückgebliebenen Romanen.
Somit ist die Volksbildung als Ver-
schmelzungsprozess verschiedener Gruppen
anzusehen. Historiker behaupten, dass der
Prozess des Zusammenwachsens ein halbes
Jahrhundert gedauert habe und man dann
von den „Baiovarii“ (d. h. die „Männer aus
dem Lande Baia“) sprechen konnte.
Von den zurückgelassenen Romanen zeu-
gen die vorhandenen Ortsnamen, die auf
„-walchen“ enden. Die Baiovarii nannten
die Restromanen die Walchen oder „Wel-
sche“.
Diese Erkenntnisse werfen ein neues
Licht auf die historischen Umstände der
Herkunftsgeschichte der Baiuwaren. Wenn
also diese These von der „Volkwerdung der
Bayern“ stimmt, so hätte sie auch Konse-
quenzen für die Kirchengeschichte. Denn
dann ist anzunehmen, dass am Neuaufbau
der christlichen Kirche die einzelnen
Stammes- oder Volksgruppen mitbeteiligt
waren. Anfänglich musste es natürlich aber
noch eine große Vielfalt des Glaubens (Hei-
den, Arianer, Nestorianer) gegeben haben.
Noch im sechsten Jahrhundert erfolgte
die „Landnahme“ der Baiuwaren.
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Sie er-
oberten bzw. besiedelten das Alpenvor-
land, dann die Donauebenen und rückten
in das Gebirge vor. Abhängig waren die
Baiuwaren zu dieser Zeit von dem Herr-
schaftsgeschlecht der „Merowinger“. Zur
Führungsschicht der Baiuwaren gehörte
die Adelssippe der Agilolfinger mit bur-
gundischer Herkunft.
Awaren
Bei den Awaren handelte es sich um ein
innerasiatisches Reiternomadenvolk aus
Eindringen der Slawen und
Baiuwaren
Bereits im fünften Jahrhundert „geistert
das Weströmische Reich aus“.
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In die Pro-
vinzen des Weströmischen Reiches strömten
slawische und germanische Völker. Kurze
Zeit nach dem Jahr 591 drangen die Awaren
und Slawen durch die Täler der Drau und
der Mur ein.
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Die Slawen brachen, getrie-
ben von den Awaren, im Osten auf und be-
siedelten das Drau- und Iseltal. Damit wurde
den Baiern vorerst der Weg versperrt.
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Die Slawen zogen durch das Drautal her-
auf und die Baiuwaren, die sich mit den Lan-
gobarden verbündeten, kamen über das Pus-
tertal herab.
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Um 590 hatten sie, über den
Brenner kommend, das Wipptal erobert, das
mittlere Eisacktal und das Pustertal. – Teur-
nia, unweit des heutigen Spittal/Drau gele-
gen, wurde damals von den Slawen zerstört.
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Bei Aguntum lieferten sich die Baiuwaren
heftige Kämpfe mit den vordringenden Sla-
wen. Von dieser Schlacht berichtete Paulus
Diaconus, der Geschichtsschreiber der Lango-
barden: „Garibaldus [Sohn des Baiernherzogs
Tassilo I.] in Agunto a Sclavis devictus est.“
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Bei Aguntum erfuhren also die Baiuwaren
unter Herzog Garibaldus um das Jahr 610
durch die Slawen eine Niederlage. Als Folge
fiel den Slawen auch die Stadt Agunt zum
Opfer, die völlig dem Erdboden gleich ge-
macht worden sein soll.
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Der Tiroler Dich-
ter Johannes Putsch sah noch gegen Mitte
des 16. Jahrhunderts die Reste der Bauten
von Aguntum. In seinen Texten berichtete er
von Inschriftsteinen aus schneeweißem
Marmor, von Säulen, Palästen und Hallen
(Atria). Dies ist ein wichtiges Zeugnis dafür,
wie lang eigentlich die Stadtruinen noch
sichtbar waren. Einige Zeit später wurden
diese sichtbaren Überbleibsel von einer
Mure, von den südlichen Ausläufern der
Schobergruppe (Zettersfeld) durch den
Debantbach heruntergeschwemmt, be-
deckt. Es folgten auch zahlreiche weitere
Überschwemmungen. Sie begruben die
letzten sichtbaren Reste Agun-
tums unter sich.
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Stark beschädigt wurde
ebenfalls die spätantike
Siedlung am Lavanter
Kirchbichl um 610 n. Chr.
als Folge der kämpferi-
schen Auseinanderset-
zung zwischen Baiern
und Slawen. Doch
verlor die Siedlung
Östliches Stadttor der Römerstadt Aguntum, in deren Nähe Baiuwaren und Slawen um 610
aufeinander trafen, wobei die Stadt zerstört wurde.
Foto: Museum Aguntum
St. Rupert (um
650-718), einer der
wichtigsten Träger
des baiuwarischen
Missionswerks, war
der erste Bischof von
Salzburg. Als Diöze-
sanpatron wurde er
im Lauf der Jahrhun-
derte immer wieder
dargestellt. Plastik vom
Beginn des 16. Jahrhun-
derts in der Kapelle zu
Allen Heiligen im Weiler
Feld (Matrei i. O.).
Foto: Silvia Ebner