In Zentralasien be-
ginnend, hatten bereits
während des dritten
Jahrhunderts n. Chr. die
großen Wanderbewe-
gungen ganzer Völker-
stämme stattgefunden.
Diese setzten sich
immer weiter nach
Westen fort. Diese Be-
wegung hielt zwischen
der Mitte des vierten
und sechsten Jahrhun-
derts an, und somit
wurden ganze Bevölke-
rungsstrukturen in den
römischen Provinzen
umgestaltet. Das Römi-
sche Imperium hatte
bereits seine innere
Festigkeit verloren,
trotzdem waren noch
die generellen Verwal-
tungsstrukturen vorhan-
den. Politische, soziale
und demographische
Umbrüche erschütter-
ten das Imperium, und
aus ihm formten sich nun kleinere Reiche.
Die neuen Herrscher dieser kleinen Reiche
durchlebten eine Akkulturation, eine Ro-
manisierung. Das Reich der Franken war
Ende des fünften Jahrhunderts nur ein klei-
nes unter mehreren staatlichen Gebilden.
Ihr Kerngebiet lag in der ehemaligen rö-
mischen Provinz Belgica II. Durch die mi-
litärischen Erfolge und die damit in Ver-
bindung stehende Annahme des christ-
lichen Glaubens kam diesem Reich im
sechsten Jahrhundert eine besondere Rolle
zu. Der Frankenherrscher Chlodwig (481-
511) konnte sein Territorium weit nach
Osten und Süden ausdehnen.
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Der Ostalpenraum blieb nach der Auf-
lösung des Weströmischen Reiches (nach
476) meist sich selbst überlassen. Es ist
interessant, der Frage nachzugehen, wie
das östliche Pustertal mitsamt seinen
Tälern regional aufgeteilt und begrenzt
Flachland die Ausge-
staltung der Burg als
Kastell vor und im Ge-
birge das befestigte
Bergdorf (Fliehburg).
Diese beiden Ausge-
staltungen waren Cha-
rakteristika für die
Kontinuität. Es ging
darum, die Burgen
gegen die einbrechen-
den Völkerscharen zu
verteidigen.
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Die Kontinuität der
Siedlungen ist aus der
Ortsnamenforschung
zu ersehen. Bis heute
leben die alten römi-
schen Siedlungsnamen
in den Städten weiter.
Als Beispiele werden
u. a. Lentia (Linz) und
Villacum (Villach) ge-
nannt. Durch die anhal-
tend bestehenden Sied-
lungen konnte sich
auch das Christentum
behaupten. Die Zahl
der mittelalterlichen Kirchenbauten über
den antiken christlichen Kultanlagen ist
ziemlich groß. Dies gilt für das Land an
der Donau, als auch für den Alpenbereich.
Aufgrund der Beweise der Ortsnamenfor-
schung ist anzunehmen, dass auch – trotz
Untergang der kirchlichen Organisation –
der christliche Glaube in der einheimi-
schen romanischen Bevölkerung fort-
lebte. Das Grenzgebiet im östlichen Pus-
tertal zwischen den Slawen und Baiuwaren
konsolidierte sich allmählich. Dafür waren
die zweite Welle der Missionierung, die
bajuwarische Unterwanderung und die
Eingliederung in das Frankenreich aus-
schlaggebende Faktoren.
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Bevor nun das Eindringen der Slawen
und Baiuwaren beschrieben wird, werden
drei wichtige Völker vorgestellt, die die
politische Situation stark mitbeeinflussten:
Baiuwaren, Awaren und Slawen.
NUMMER 2/2018
86. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Manju Anita Weber
Folgen der Völkerwanderung für das
Christentum im östlichen Pustertal
*
Die Karte zeigt die verschiedenen Territorien im 8. Jahrhundert. Unter den wich-
tigsten Ausgangspunkten der Mission der Baiern in Karantanien erscheint auch
Innichen im Pustertal.
(Abbildung entnommen dem Ausstellungskatalog
„800 Jahre Spittal 1191-1991“, Spittal an der Drau 1991)
war. Meinrad Pizzinini bemerkt, dass nicht
geklärt werden konnte, wieweit das Gebiet
des heutigen Bezirks Lienz den verschie-
denen Machtbereichen – genannt werden
Odoaker, Franken, Ostgoten, Byzantiner
und Langobarden – angehörte. Diese
wechselten auch stets rasch.
2
Mit der Auflösung des Weströmischen
Reiches und den Wirren der Völkerwan-
derung trat eine weitere Frage auf: Wurde
der christliche Glaube in dieser Um-
bruchszeit noch praktisch in der Bevölke-
rung gelebt? Im Zuge der Recherchen
konnte man zum Ergebnis kommen, dass
trotz Kulturverfall und Entvölkerung wäh-
rend der Völkerwanderung die Kontinuität
der Siedlung gewahrt wurde.
3
Im Alpen-
raum wurden die Siedlungen mit Mauern
umgeben und auf die Berge verlegt. Die
Kirche wurde zum Mittelpunkt der Ge-
sellschaft. Im Allgemeinen fand man im