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OBERLIENZerlesen
Der Nahversorger als soziale Drehscheibe
Es ist ein verregneter Dienstag im
Spätherbst. Obwohl sich bei die
sem trüben Wetter kaum jemand
auf die Straße verirrt, ist im Orts
zentrum von Oberlienz kein
Parkplatz zu bekommen, links
und rechts der Straße, die durch
das Dorf führt, sind Autos ge
parkt. Die Gemeinde verabschie
det sich von einem Mitbürger. Die
Kirchturmuhr schlägt vier Uhr
nachmittags, als sich das direkt
an den SparMarkt angeschlosse
ne Cafè mit Begräbnisteilneh
mern füllt. Bei einem Seidel Bier
oder einem Kaffee entwickelt sich
rasch ein reger Hoagascht – so,
wie es in einem funktionierenden
Dorfleben eben ist.
Gleich darauf kommt Chefin Inge
Brandstätter in den Laden. Ob
wohl sie den größten Teil ihrer
Zeit hier verbringt, hatte sie ihre
Arbeit unterbrochen, um beim
Begräbnis ihrer großen Leiden
schaft, dem Chorsingen, nachzu
gehen.
Der Beruf der Lebensmittelhänd
lerin war für sie eine
Liebe auf den zweiten
Blick, denn sie wollte
eigentlich Friseurin
werden. „Aber meine
Schwester war schon
in Oberlienz und hier
gab es außerdem eine
Lehrstelle als Verkäu
ferin“, verrät Brand
stätter. Bereut hat sie
es bis heute nicht. Denn der per
sönliche Umgang mit den Kun
den erfüllt sie in ihrem Beruf.
„Und ich sehe darin auch die
Kernkompetenz unseres Be
triebs“, sagt die gebürtige Möllta
lerin nicht ohne Stolz. „Gerade
ältere Menschen sind oft nicht
mehr so mobil und dann umso
dankbarer für die Möglichkeit,
hier im Ort einzukaufen oder
telefonisch zu bestellen und den
Einkauf ins Haus geliefert zu be
kommen“. Ihr ginge es auch dar
um, den Kunden Fröhlichkeit zu
vermitteln, sich mit ihnen auszu
tauschen, erklärt die Unterneh
merin. Besonders am Herzen lie
gen ihr die Kinder, mit denen sie
gern ,hoagaschtet‘, wenn sie vor
der Schule noch zu ihr kommen,
um eine Kleinigkeit für die Pause
einzukaufen. „Vielleicht werden
sie später einmal meine Kunden“,
hofft Brandstätter.
„Das Schöne ist das wechselsei
tige Geben und Nehmen“, so
Brandstätter. Und das sind nicht
nur leere Worte. Denn ihr einsti
ger Lehrbetrieb und dessen
Nachfolgebetrieb hatten ihre Tü
ren unwiderruflich geschlossen,
als auf ihre Anregung hin mit
Unterstützung der Gemeinde
und nach aufwendigen Umbauar
beiten 2004 der neue Laden eröff
net wurde. Heute führt sie ihn
gemeinsam mit ihrem Mann und
fünf Mitarbeitern.
Neben dem abwechslungsreichen
Sortiment, werden auf besonde
ren Wunsch Partybrezen, gefüllte
Baguettes oder belegte Brötchen
vorbereitet. Und noch etwas Au
ßergewöhnliches hat der Spar
Markt Oberlienz zu bieten: Ein
mal in der Woche gibt es die
Möglichkeit, Textilien zur Reini
gung vorbei zu bringen. „Das er
ledigt ein Partnerbetrieb für uns
und wir sind froh, unseren Kun
den diesen Zusatznutzen anbie
ten zu können“, ergänzt die Che
fin. Sie hofft, ihren Betrieb noch
lange führen zu können. „Ich übe
meinen Beruf mit innerer Freude
aus und hoffe, dass die Nahver
sorgung in Oberlienz weiterhin
gewährleistet bleibt“, so Brand
stätter abschließend.
Seit mehr als zehn Jahren
sichert Inge Brandstätter
die Nahversorgung in
Oberlienz.
Ihr Spar-Markt ist aber
nicht nur ein einfacher
Gemischtwarenladen,
sondern die Drehscheibe im
Dorfleben.
Nachgefragt bei Inge
Brandstätter:
Wo liegen Deiner Meinung
nach die Stärken des Wirt-
schaftsstandorts Oberlienz?
Die Stadtnähe und die fairen
Grundstückspreise für Unter-
nehmer.
Welche regionalen Produkte
schätzt du persönlich am
meisten?
Alle Lebensmittel, die ich beim
heimischen Bauern kaufen
kann: Butter, Sauermilch, Kar-
to eln oder auch mal Fleisch.
Wenn du drei Wünsche an
eine gute Fee frei hättest,
welche wären das?
Ich wünsche mir, dass die Ein-
heimischen hier einkaufen und
so auch zur wirtscha lichen
Tragfähigkeit des Spar-Markts
beitragen. Dann wünsche ich
mir mehr Freizeit, um in der
Natur zu sein und zu guter
Letzt, dass wir in der Familie
alle gesund bleiben und zu-
sammen halten.
Reinhard Lobenwein fragt nach.
Foto:
Chefin
Inge mit
Verena
und
Helga.