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Nummer 6 — 63. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Das erhöhte Presbyterium von Kirche C
befand sich zum größten Teil an der Stel-
le der heutigen Sakristei und ist demnach
weitestgehend zerstört. Die Nordwand der
Sakristei und die Südmauer des jetzigen
Chores liegen genau in dem Bereich, in
dem die nördliche und südliche Ab-
schrankung durch Holz oder Marmor zu
vermuten sind. Einzig eine ca. 0,40 m star-
ke, direkt am Fels aufsitzende Mauer etwa
in der Flucht der Westmauer der ni-
schenförmigen Kirchenerweiterung(en)
könnte den letzten Rest des Schranken-
fundaments im Westen darstellen. Der
Altar und ein allfälliger Reliqienloculus
sind von der Ostmauer der heutigen
Sakristei überbaut bzw. im Zuge späterer
Baumaßnahmen zerstört worden.
In einer zweiten Phase ist Kirche C fast
um die Hälfte vergrößert worden. Die ehe-
malige Westmauer des Kirchensaales
wurde abgetragen und durch eine um über
sieben Meter weiter westlich liegende
Mauer ersetzt (neue Gesamtlänge: ca. 24
m). An die neu errichtete Südmauer und an
Teile der alten Mauer fügte man eine ge-
mauerte Bank im Kircheninneren an. Im
Westen baute man an die vergrößerte Kir-
che (mindestens) zwei Nebenräume an,
deren Funktion beim derzeitigen Stand der
Auswertung nicht feststeht.
Beifunde, mit deren Hilfe die Zeit der Er-
richtung und des Umbaus der Kirche C ab-
solut bestimmt werden könnten, fehlen. Ein
Vergleich der neu ausgegrabenen Kirche C
mit den beiden anderen frühchristlichen
Kirchen A und B am Kirchbichl ermöglicht
unter Umständen die Erstellung einer rela-
tiven Chronologie. Geht man von einer
festen Verbindung von Priesterbankgröße
und Größe des an einer Messe teilnehmen-
den Klerus aus, dann dürften die neu ent-
deckte Kirche C und die sog. „Bischofskir-
che, Phase 1“ (Kurzbezeichnung: Kirche
A1) etwa gleichzeitig entstanden sein. Der
innere Umfang beider Priesterbänke beträgt
im Fundamentbereich ca. 4,70 m. Außer-
dem fehlt bei beiden Priesterbänken ein er-
höhter Mittelsitz für den Gemeinde-
obersten. Die Priesterbank der Kirche A1
ist in einer zweiten Phase von einer deutlich
größeren mit Kathedra überbaut worden
(innerer Umfang im Fundamentbereich:
8,50 m). Eine Priesterbank selben Aus-
maßes und ebenfalls mit Kathedra stellte
man in die ebenfalls in Phase 2 im Osten
der „Bischofskirche“ hinzugefügte Memo-
rialkirche mit Reliqienloculus (Kurzbe-
zeichnung: Kirche B).
Die Neudimensionierung der Klerus-
bänke und besonders die Hinzufügung ei-
ner Kathedra in der „Bischofskirche“ in
Phase 2 deuten auf eine Vergrößerung des
Klerus und damit eine Bedeutungsteige-
rung von Lavant hin. Dafür spricht auch
die nachträgliche Verlängerung der Kirche
C um nahezu die Hälfte. Die Ursache
dafür könnte in der bereits des öfteren ver-
muteten Verlegung des Bischofssitzes von
Aguntum nach Lavant in den unsicheren
Zeiten der Völkerwanderung liegen
10
. Die
planmäßige Räumung des sog. „Prunk-
baus“ von Aguntum, eines vermutlich am
Forum gelegenen öffentlichen Gebäudes
beachtlicher Dimension, erst im späteren
6. Jh. zeigt, daß das Leben in Aguntum
durch die Barbareneinfälle um 407 und
452 nicht zum Erlie-
gen gekommen sein
kann und deshalb
die für möglich ge-
haltene Verlegung
des Bischofssitzes
nach Lavant erst ab
diesem Zeitpunkt zu
erwarten ist
11
.
Wenden wir uns
erneut der Frage
nach der Errich-
tungszeit von Kirche
C zu, dann erweist
sich ein Blick auf die
„Bischofskirche“ von
Teurnia/St. Peter im
Holz als besonders
nützlich. Der Grund-
riß dieser Kirche, de-
ren erste Phase mit-
tels Beifunden in die
erste Hälfte des 5.
Jhs. datiert werden
konnte
12
,
erinnert
stark an den von Kir-
che C. Trotz der öf-
ters nachgewiesenen
Gefährlichkeit der-
artiger Grundrißver-
gleiche scheint in
diesem Fall die Annahme der ungefähren
Gleichzeitigkeit beider Kirchen durch die
geringe Entfernung zwischen Lavant und
Teurnia gerechtfertigt zu sein. Außerdem
hat ein Vergleich zwischen den Priester-
bänken von Kirche A1 und der jüngst er-
grabenen Kirche C eine relative Früh-
datierung wahrscheinlich gemacht.
In der ersten Hälfte des 5. Jhs. dürften
demnach die Kirchen A1 und C erbaut wor-
den sein. Kirche A1 könnte dabei als
Memorialkirche bzw. Gedächtniskirche
für einen Märtyrer gedient haben, in der die
Reliquie in der Apsis östlich der Priester-
bank aufbewahrt worden ist
13
. Die neu ent-
deckte Kirche C könnte als Gemeinde-
kirche verwendet worden sein. Im 6. Jh.
sind beide Kirchen umgestaltet worden
14
.
Die vergrößerte Kirche C dürfte weiterhin
Gemeindekirche mit unveränderter Prie-
sterbank ohne Kathedra geblieben sein. In
Kirche A1 ist in Phase 2 die Apsis mit dem
vermuteten Reliquienloculus aufgegeben
und dafür östlich der alten Kirche eine neue
Memorialkirche mit vergrößerter Priester-
bank samt Kathedra und davor liegendem
Reliquienloculus erbaut worden (Kirche B).
Diese Neugestaltung der Memorialkirche
könnte die Verlegung des Bischofssitzes
von Aguntum nach Lavant erforderlich ge-
macht haben. Um dem Bischof und seinem
Klerus genügend Platz zur Verfügung zu
stellen, hat man eine neue, größere Prie-
sterbank samt Kathedra errichtet und das
Presbyterium in der ehemaligen Memori-
alkirche A1 auf Kosten des Laienraumes
vergrößert. Erst ab diesem Zeitpunkt ist mit
Kirche A2 ein Bau vorhanden, der die Be-
zeichnung Bischofskirche zu recht verdient.
Kirche C ist durch einen Brand zerstört
worden. Darauf deutet jedenfalls eine im
gesamten Kirchenbereich beobachtete
dünne Brandschicht am Mörtelestrich von
Kirche C hin. Gleichzeitig belegt die Wei-
Abb. 3: Römischer Inschriftenstein (1. Jh. n. Chr.)
Abb. 5: Ohrring der Stufe Köttlach 2 (8. bis 11. Jh.)