Nummer 4 –– 68. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
nicht nur finanzielle Angelegenheiten
wie Mitgift, Brautschatz, Morgengabe
usw., sondern auch der Hochzeitstermin
wurde mit Herbst kommenden Jahres
(1477) festgesetzt.
Die politische Motivation zu dieser
Hochzeit lag für Leonhard im Vorteil einer
Verbindung mit einer oberitalienischen
Macht, was ihn gegenüber der Republik
Venedig stärkte. Sehr wichtig war selbst-
verständlich auch die reiche ausgehandelte
Mitgift. – Die Gonzaga hatten die Mög-
lichkeit, ihre jüngste, herzleidende und
körperlich leicht entstellte Tochter an ein
Mitglied einer alten Adelsfamilie von Be-
deutung zu vermählen. Graf Leonhard war
auch ein Fürst des Heiligen Römischen
Reiches. So gesehen, war die Verbindung
für beide Häuser günstig.
Die Hochzeit verzögerte sich. Sie kam
am vorgefassten Termin nicht zu Stande,
auch im Jahr 1478 gab es ständig Behin-
derungen: Einmal waren es die Türken, die
die Görzer Grafschaft bedrohten, dann war
es die Pest, die Lienz heimsuchte.
Schließlich erkrankte Paola schwer und im
Frühjahr 1478 starb ihr Vater, Markgraf
Ludovico II. Endlich kam die Heirat am
15. November 1478 in Bozen im Beisein
des Tiroler Landesfürsten Erzherzog Sig-
Der
Kenotaph
Graf Le-
onhards
im Dom
von Görz
in einer
Kupfer-
stich-
Wieder-
gabe als
Beilage
zu einem
histori-
schen
Werk
über die
Grafen
von
Görz,
verfasst
von
Rudolf
Coronini,
1752. Im
Vergleich
zum Ori-
ginal des
Relief-
steines
ist die
Darstel-
lung
ziemlich
verfrem-
det.
Repro:
Tiroler
Landes-
museum,
Inns-
bruck
„Graue zu Görtz vnd Tirol“, Ausschnitt aus der vergoldeten Umschrift von Graf Leon-
hards Grabplatte in Lienz, St. Andrä.
Foto: M. Pizzinini
mund und der Bischöfe von Trient und
Konstanz zu Stande.
Paola erkrankte neuerlich und konnte erst
nach rund 14 Tagen die Reise nach Lienz
antreten. Sie führte einen eigenen Hofstaat
von 16 bis 17 Personen und einen prunk-
vollen und aufwändigen Brautschatz mit.
Bald schon wird sie einen großen Kontrast
zwischen Schloß Bruck und dem Palazzo
Ducale von Mantua gefühlt haben.
Leonhard und Paola –
„ein ungleiches Paar“
Die Beurteilung von Leonhard und
Paola als „ungleiches Paar“ beruht nicht
bloß auf dem Altersunterschied von rund
20 Jahren, sondern leitet sich auch aus
anderen Gegebenheiten ab:
Paola wuchs an einem der ersten Renais-
sancehöfe Italiens auf, wo das Bildungs-
wesen bereits geradezu institutionalisiert
war und Paola selbst galt als sehr gebildet.
– Leonhard hingegen verfügte sicherlich
nicht über ein höheres Wissen, als der be-
zeugte görzische „Schuelmeister“ ihm
beigebracht hat. Er konnte sich auch nicht
in der italienischen Sprache verständigen.
Paola war in der Familie behütet aufge-
wachsen und selbstverständlich wohlerzo-
gen. – Die familiären Verhältnisse, unter
denen Leonhard heranwuchs, waren
kaum eine günstige Voraussetzung, eine
feine höfische Art kennen zu lernen. Im
Brief eines italienischen Arztes Paolas
wird Leonhard als jähzorniger Mann ge-
schildert, der auch handgreiflich werde.
Neben Schilderungen ausgesprochen
rüpelhaften und ungestümen Benehmens
gibt es allerdings auch Beschreibungen
von sehr höflichem Auftreten des Grafen.
Es wäre sicherlich nicht richtig, dem Gör-
zer jedes kulturelle Verständnis abzuspre-
chen. Zum kulturellen Bereich müssen wohl
auch – besonders in damaliger Zeit – Reli-
gion und damit verbundene künstlerische
Äußerungen gezählt werden. Bauwesen,
Malerei und Kunsthandwerk im Stil der
späten Gotik wurden durch den Landes-
fürsten gefördert. Mehrfach wurde z. B. der
Maler Simon von Taisten engagiert. Das
Lienzer Kunsthandwerk erlebte eine Blüte-
zeit, gefördert vor allem vom Görzer Hof.
Ein weiterer Gegensatz zwischen Leon-
hard und Paola bestand darin, dass er, wie
in den Alpenländern noch allgemein ver-
breitet, der mittelalterlichen Geistigkeit
verhaftet, Paola hingegen, bedingt durch
das kulturelle Niveau des Mantuaner
Hofes, der neuen Zeit mit Humanismus
und Renaissancekunst zugetan war. Auf
Schloß Bruck prallten zwei Kulturen, ja,
zwei Welten aufeinander!
Was das Verhältnis der beiden Eheleute
zueinander betrifft, so darf von vorne her-
ein nicht mit heutigem Maßstab gemessen
werden. Ungünstig auf die Beziehung
Leonhard – Paola wirkten sich auf jeden
Fall aus: die lässige Abwicklung der ver-
einbarten Mitgift durch die Gonzaga, der
fast stete Krankheitszustand der Gattin und
die wachsende Gewissheit auf Kinderlo-
sigkeit. Das Verhältnis scheint sich aber
im Lauf der Jahre gebessert zu haben, wie
aus den erhaltenen Briefen hervorgeht.
Gräfin Paola ist einige Jahre vor Leon-
hard gestorben, vermutlich im Jahr 1496,
ohne dass man aber das Todesdatum kennt.