O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
68. Jahrgang –– Nummer 4
selbst 1461 an der Belagerung des Kaisers
in der Wiener Hofburg teil.
Ein einschneidendes Ereignis war die
Niederlage der Görzer im Kampf mit Kai-
ser Friedrich III., auf die der Frieden von
Pusarnitz vom 25. Jänner 1460 folgte.
Dabei verloren die Grafen ihren umfang-
reichen Besitz in Oberkärnten und selbst
den größten Teil der Herrschaft Lienz mit
der Stadt und der Residenzburg Bruck.
Als man daran gehen wollte, die verloren
gegangenen Gerichte zurückzuerobern,
starb überraschend Graf Johann im Früh-
jahr 1462. Der Bruder Ludwig war schon
vorher verstorben. Der 18-jährige Leonhard
war nun der Alleinerbe, der das Schicksal
der Grafschaft in die Hand nehmen musste.
Er regierte durch 38 Jahre und hatte dabei
manche Schwierigkeit zu bewältigen.
Graf Leonhard hat als Landesfürst
nicht ungeschickt taktiert, verschiedene
Erfolg versprechende Bündnisse ge-
schlossen und auch mit der Waffe in der
Hand sein Land verteidigt.
Zunächst war es die Rückeroberung der
Residenzstadt Lienz, die mithilfe eines
angeworbenen Söldnerhaufens gelang.
Zeitlebens war ihm die Rückgewinnung
der oberkärntnerischen Herrschaften das
wohl wichtigste Anliegen. So lange aber
Kaiser Friedrich III. regierte, führte kein
Weg dorthin. Erst mit seinem Sohn Maxi-
milian I. verbesserte sich der Kontakt Görz
– Habsburg ganz wesentlich.
Im südlichen Teil der Grafschaft, in
„Inner-“ oder „Hintergörz“, beschäftigte
Leonhard die Abwehr der Venezianer, die
in vermessener Weise selbst auf görzi-
schem Grund und Boden Vorkehrungen
für die Abwehr der Türken trafen und z. B.
Gradisca als Festung ausbauten. Die Re-
publik Venedig wartete nur darauf, eines
Tages in den Besitz von Innergörz zu
kommen. Mit Protesten erreichte Graf
Leonhard wenig. Daher knüpfte er Kon-
takt zum Ungarnkönig Matthias Corvinus
und schloss mit ihm 1480 ein geheimes
Freundschafts- und Beistandsabkommen,
was seine Position gegenüber sowohl
Venedig als auch Habsburg stärkte.
Am gefährlichsten traten die Türken auf,
die immer wieder in die Grafschaft Görz
und in das venezianische Friaul einfielen,
größte Schäden anrichteten und Menschen
in die Sklaverei verschleppten. – Im Som-
mer 1478 zogen türkische Reiterscharen
drauaufwärts, plünderten Spittal und stie-
ßen bereits gegen Oberdrauburg vor. Am
1. August traf in Lienz die Schreckens-
meldung ein, die Türken befänden sich be-
reits vor der Stadt, die von einer echten
Panik ergriffen wurde. Graf Leonhard, der
gegen ein mäßiges Jahresgeld ohnehin als
Reichshauptmann gegen die Türken
diente, sammelte wenige Tage später das
görzische Aufgebot in Lienz, um gegen
diesen Feind auszuziehen.
Der Görzer und die Landstände
Innenpolitisch gesehen war die Lage
der görzischen Städte im 15. Jahrhundert
nicht ungünstig. Görz war Mittelpunkt der
inneren Grafschaft, Festung, Markt, zeit-
weiliger Sitz des Hofes und nahm an der
spätmittelalterlichen Blüte der friaulischen
Städte teil. – Was die Haupt- und Resi-
denzstadt Lienz in der vorderen Grafschaft
Graf Leonhard in Halbfigur mit dem
Kriegsbeil auf einem Sechs-Kreuzer-
Stück („Sechser“), geprägt in der görzi-
schen Münzstätte Lienz, um 1495, Silber,
Orig.-Dm. 24 mm.
Foto: Anton Demanega, Innsbruck
Wappen der Grafen von Görz auf einem
der Schlusssteine in St. Korbinian, Thal-
Assling. Die Schlusssteindekorationen
sind Frühwerke Friedrich Pachers, um
1468.
Foto: M. Pizzinini
Graf Leonhard, Ausschnitt aus einem
Altarflügel, Werk eines einheimischen
Malers (?) aus den Jahren 1500/1510. Der
Altar, eine Stiftung Maximilians I., stand
ursprünglich in St. Andrä. Heute befinden
sich die Altarflügel auf Schloß Bruck.
Foto: M. Pizzinini
betrifft, hat der Hof das städtische Leben
in vieler Hinsicht befruchtet. Aus dem
Transithandel zogen die Bevölkerung be-
sonders von Lienz und der Landesfürst
Gewinn.
Auf einen gewissen Wohlstand der
Lienzer weist bereits die große Zahl von
Goldschmieden und „kunstreichen“ Malern.
Das Baugewerbe erlebte einen ungeheuren
Aufschwung. Dem Handwerk der Stein-
metzen und Maurer gab der Landesfürst mit
26. Juli 1476 eigene Statuten. Durch die
Görzer Bauhütte wurden zahlreiche Gottes-
häuser im Stil der Spätgotik erneuert.
Im Ministerialadel besonders der letzten
Jahrzehnte der Görzer Herrschaft ist vor
allem im südlichen Teil der Grafschaft
eine gewisse „Verwilderung“ eingetreten,
und manche Geschlechter spielten durch-
aus keine rühmliche Rolle. Graf Leonhard
soll seinem Adel gegenüber Rechtsbrüche
und Gewalttaten begangen haben. Ein Teil
des Adels wanderte ab und begab sich vor-
wiegend in österreichische Dienste.
Die Geistlichkeit genoss unter der Gör-
zer Herrschaft große Privilegien und
wurde auch unter Graf Leonhard geför-
dert. Das Wirken der Geistlichkeit war
nicht insgesamt von Missständen belastet
wie für das 15. Jahrhundert allgemein an-
genommen wird.
Die Masse der Bevölkerung in der Graf-
schaft Görz machten die Bauern aus. Das
Verhältnis des Landesherrn zu dieser Be-
völkerungsschicht scheint nicht schlecht
gewesen zu sein, was vor allem aus nach-
görzischem Quellenmaterial hervorgeht.
Bemerkenswert ist vielleicht folgendes
Beispiel: Als im Jahr 1496 die Bauern von
Cordenons und S. Quirino auf dem Terri-
torium der österreichischen Stadt Porde-
none einen Aufstand inszenierten, ver-
suchte der dortige Hauptmann, Graf
Leonhard von Görz zur Bestrafung der
Bauern heranzuziehen. Dieses Ansinnen
schlug fehl, da der Görzer durch seinen
Pfleger von Neuenburg bereits die Sache
der Bauern vertreten ließ! – In der Ver-
sammlung der görzischen Landstände
waren die Bauern nicht vertreten.
Leonhards Ehen
Es ist kaum bekannt, dass Graf Leon-
hard von Görz zweimal verheiratet war.
Einige Quellen berichten von Leonhards
Ehe mit Euphrosina, Tochter des Nikolaus
Illok (Ujlaki), König von Bosnien, der von
den Türken vertrieben worden ist. Über
das Schicksal dieser auf jeden Fall nur sehr
kurzen Ehe ist bisher nichts bekannt.
Das mühsame Zustandekommen der
zweiten Ehe Graf Leonhards mit Paola
Gonzaga in Mantua ist anhand des Brief-
wechsels der Häuser Görz und Gonzaga
bestens dokumentiert. Drei Jahre nach
ersten Kontakten kam am 11. Juli 1476 der
Ehevertrag zu Stande. Geregelt wurden