HB_2021_05
NUMMER 5/2021 89. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ Wilfried Beimrohr „Von erschrocklichen und äusserist verderblichen Prunsten“ (2) Das Brandgeschehen in Lienz im 16. und 17. Jahrhundert Das Haus Messinggasse Nr. 2, in dem am 8. April 1609 der verheerende Stadtbrand ausgebrochen ist, auf der Federzeichnung mit Dar- stellung der verwüsteten Stadt, die kurz nach dem Brand erstellt wurde. – Rechts das Haus an der Ecke Messinggasse/Kreuzgasse in einer aktuellen Ansicht. (Orig. und Repr. Tiroler Landesmuseum, links, und Meinrad Pizzinini) Eine landesfürstliche Untersuchungskommission Am Ende des ersten Teils des Beitrags über das Lienzer Brandgeschehen im 16. und 17. Jahrhundert ist vom großen Stadt- brand 1609 die Rede gewesen, von dem im Folgenden weiter berichtet wird: Die eigens nach Lienz entsandte landesfürstliche Kommission bestätigte in einem Bericht von Mitte Mai den Hergang. Ausgebrochen war Feuer am 8. April 1609 um die Mit- tagszeit im östlichen Eckhaus der nörd- lichen Häuserzeile der Meranergasse durch einen Kaminbrand. Dieses Haus außerhalb, aber nahe der Stadtmauer gelegen, in dem auch ein Goldschmied einquartiert war, gehörte dem Bürger und Tuchscherer Christoph Ebenperger. Obgleich sofort Löscharbeiten einsetzten, war das Feuer nicht mehr zu bändigen und einzudämmen, aufkommender Wind trieb und fegte es über die Stadtmauer in die Rosengasse, von dort fraß sich der Brand zum Oberen Platz und dann weiter zum Unteren Platz vor. Der Wind, der zeitweise umschlug und die Richtung wechselte, sorgte dafür, dass sich der Brand die Meranergasse und selbst die Mönchsgasse hinauf ausbreitete und auch dort wütete. Die nüchterne Bilanz eines dreistündigen Infernos: Ab- und ausge- brannt waren 114 Wohnhäuser und 70 Wirt- schaftsgebäude, abgebrannt die Johannes- kirche, das Karmelitenkloster samt Kirche und das Spital mit der Kirche, abgebrannt das Messingwerk. Dreizehn Menschen waren in den Flammen umgekommen, da- runter gottlob, wie die Kommission meinte, kein Kind. Noch Tage danach waren einige Personen an den Folgen des „empfangnen grossen Schröckens“ gestorben. Verwun- derlich war, konstatierte die Kommission, dass da und dort das Flammenmeer, das nicht ein Gebäude verschonte und aus- sparte, nicht alles vernichtet hatte. In der Karmelitenkirche war die Orgel komplett abgebrannt, der Altar aus Holz und eine da- neben hängende seidene Reiterfahne hatten vom Feuer nichts abbekommen. Das kleine und aus Holz geschnitzte Kruzifix in der St. Johannes-Kirche, das vor demAusgang angebracht war, verlor seine Bedeckung und sein Postament, die Figur überstand heil das Feuer. Bei der zur Liebburg gehörigen Kapelle (westlich an diese angebaut) ver- nichtete das Feuer das Dach, verschonte im darunter befindlichen Sakralraum den Holz- boden und den Plafond mit dem Fresko der Muttergottes. In einem völlig zerstörten Haus fand sich unversehrt und einsam ein Spinnrad. In einem anderen Haus, ebenfalls bis auf die Grundmauern niedergebrannt, war zwar die hölzerne Bettumrandung ver- schmort, Bettgewand, ein Strohsack und die Vorhänge dagegen nahmen keinen Schaden. Hingegen hatten Hitze und Feuer bei etlichen Häusern, die durch Eisentore und durch eiserne Fensterläden geschützt waren, diese eisernen Schutzschilde aufgebogen und verkrümmt, so dass auch hier Feuer in das Innere vordringen konnte. 1 Die Bilanz des Schreckens Das Ausmaß der Katastrophe lässt sich kaum ermessen, sprengt jede Vorstellungs- kraft. Verschont hatte das Feuer die zwei Stadtviertel Rindermarkt und Schweizer- gasse sowie die kleinen Streusiedlungen For-
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