Seite 1 - H_1995_02

Basic HTML-Version

Die hier veröffent-
lichte Arbeit ist eine
Zusammenfassung
der von mir anläßlich
der Matura ge-
schriebenen Fach-
bereichsarbeit „Die
Entwicklung
des
Bürgertums in Lienz
am Beispiel des Wie-
sentheinerhauses“.
Voran möchte ich
mich bei Herrn Dr.
Harald Stadler be-
danken, der mich
mit dem notwendi-
gen Material über
die Ausgrabungen
am Wiesentheiner-
haus versorgte. Er
hat großen Anteil
daran, daß ich mich
an dieses Thema
herantraute
und
natürlich auch an
der geglückten Aus-
führung der Arbeit.
Das Bürgerhaus in Lienz bis zum
Stadtbrand im Jahre 1609
Wie „in der gesellschaftlichen Ordnung
der Stadt freier Bürger neben freiem Bür-
ger stand, so stand an ihren Straßen und
Plätzen Bürgerhaus neben Bürgerhaus, je-
des Haus wieder ein Ganzes, jedes eine
freie Persönlichkeit.“
1
So verhielt es sich auch in Lienz. Auch
hier machten die Bürgerhäuser den größ-
ten Teil der Behausungen aus. Sie lagen
nicht nur im befestigten Teil der Stadt,
sondern auch in den „Vorstädten“, der
Schweizer- und Messinggasse. In einer
Pustertaler Beschreibung aus dem Jahre
1545 wurden in Lienz 136, nach dem
Haupturbar der Stadt 1583 161 Häuser
gezählt, wobei aber nicht alle bewohnt
waren.
2
Infolge von gesellschaftlichen Unter-
schieden zwischen Bürgern und Inwoh-
nern ergaben sich auch Unterschiede zwi-
schen den Häusern dieser beiden sozialen
Schichten.
Für das Inwohnerhaus reichte schon ein
lederner Wassereimer als Sicherheit gegen
die immer wieder auftretenden Stadtbrän-
de. Der Bürger hingegen mußte eigenen
Rauch haben, d.h., er mußte mindestens
eine Feuerstätte im Haus besitzen. Erst
dann war ein Haus ein Bürgerhaus und
konnte von einem Bürger erworben wer-
den. Durch die Feuerstätte, die für ein Bür-
gerhaus unerläßlich war, mußten natürlich
auch die Brandschutzmaßnahmen weitrei-
chender sein. Diese Bedingungen wurden
in einer Verordnung festgelegt, die vom
Landesfürsten in Innsbruck herausgegeben
wurde, und mußten
vom Bürger unbe-
dingt
eingehalten
werden.
Das Bürgerhaus
war vor allem inner-
halb der Stadtmauern
schon im 13. Jahr-
hundert größtenteils
aus Stein erbaut. Ei-
nige wenige Teile,
wie zum Beispiel der
Dachstuhl, blieben
bis in die Gegenwart
herein aus Holz, an-
dere, wie die Be-
dachung,
wurden
erst im 19. und 20.
Jahrhundert
nicht
mehr aus Holz ge-
macht. Für die Ände-
rung
des
Bau-
materials waren vor
allem zwei Gründe
ausschlaggebend.
Erstens wurde das
Holz, weil man es
auch sehr häufig im Bergbau verwendete,
immer knapper und dadurch bedingt, auch
immer teurer. Zweitens wurden die
Lienzer Bürger mehr oder weniger von
den vielen Bränden dazu gezwungen, auf
ein sicheres Baumaterial umzustellen.
Es wurde aber nicht sofort das ganze
Haus aus Stein gebaut. Die Änderung hin
zu einer massiveren Bauweise nahm
ihren Anfang im Herzen des Hauses, wo-
mit die beheizten Räume, also die Küche
und der Wohnraum, gemeint sind. Es war
damals eine logische Handlung der Men-
schen, diese Räume als erste umzubauen,
weil sie durch die Feuerstätten am meisten
gefährdet waren. Auf die Stadt bezogen
nahm die neue Bauweise ihren Anfang im
Zentrum der Stadt, wo sich die meisten
Bürgerhäuser befanden.
Nummer 2/1995
63. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLATTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Abb. 1: Der Lienzer Hauptplatz („Kaiser-Josef-Platz”) auf einer Postkarte (Verlag
B. Lehrburger, Nürnberg) von ca. 1910. – An der nordseitigen Häuserzeile ist als
zweites Haus von rechts deutlich das schmale Wiesentheinerhaus zu erkennen.
Matthias Brugger
Die Entwicklung des Wiesentheiner-
Hauses am Lienzer Hauptplatz