Die nationale und freiheitsbewußte Be-
wegung des erwachsenen Gesamt- und
Großdeutschlands, Traum oder Wirklich-
keit, rief den Pater nach Frankfurt, wo ge-
rade in dem Augenblick seine Kutsche
hielt, als sich die Parlamentarier bereits in
die Paulskirche begaben. Seine Tätigkeit
als Politiker in der Paulskirche ekelte den
Benediktiner an, bitter beklagte er sich
über den „brüllenden, rasenden und un-
verschämten Parlamentarismus“. Wenn es
wenigstens bei einem solchen geblieben
wäre! Der Mob begann die Straße zu
regieren, Barrikaden wurden errichtet. Für-
sten wurden gelyncht und gaben ihnen, die
„verjagt“ werden sollten, die willkomme-
ne Handhabe, einzugreifen, und im übri-
gen debattierte sich das Paulskirchenpar-
lament zu Tode. Bald war es mit der
demokratischen Herrlichkeit vorbei, die
Parlamentarier stoben auseinander, in
Stuttgart gab es zwar noch ein Rumpf-
parlament, danach flohen die einen in die
Schweiz, die anderen ins Elsaß, wieder
andere wurden standrechtlich erschossen,
ihre sogenannte „parlamentarische Immu-
nität“ erregte nur Heiterkeit.
„Ewig Gestrige“ von dazumal erhoben
sich zwar zum Aufstand, doch es lief
zunächst nichts mehr in Sachen Demo-
kratie, auch der Aufstand wurde nieder-
geschlagen. Die Freiheit ohnehin. – Beda
Weber blieb in Frankfurt!
Im Juni 1848 war der angesehene Stadt-
pfarrer von St. Bartholomae gestorben, die
politisch
selbstbewußt
gewordenen
Frankfurter Katholiken verlangten nach ei-
ner Persönlichkeit, die sie, eine etwa 4.000
Seelen große Gemeinde, gegenüber den
Frankfurter Protestanten, ca. 40 bis
50.000 Köpfe, würdig vertreten konnte.
Mehrere hochangesehene Theologen be-
warben sich oder wurden vorgeschlagen,
u. a. ein Theologieprofessor Riffel aus
Mainz und der Domkapitular Forster aus
Breslau, die aber bei den Frankfurtern kei-
nen Eindruck hinterließen. Nein, der
Sohn der Berge sollte es sein. Die Frank-
furter Katholiken gehörten zur Diözese
Limburg, einer Dom- und Bischofsstadt
etwa 70 km nordwestlich von Frankfurt.
Der dort amtierende Diözesanpfarrer Peter
Joseph Blum kürte den Erwähnten zum
Inspektor der Domschule und machte ihn
zum Domherren. Beinahe wäre der Lien-
zer noch Bischof geworden, doch die Stän-
deversammlung des Herzogs von Nassau
zeigte „Fremdenhaß“. Nein, dieses Amt
sollte, wenn schon, ein gebürtiger Untertan
Seiner Durchlaucht bekleiden. Beda We-
ber ließ sich davon aber nicht anfechten.
Mit einem Eifer, den die Mainmetropole
bisher nie gesehen hatte, stürzte sich der
Pater in die Sozialpolitik. Er veranstaltete
zahlreiche Armensammlungen, organi-
sierte Weihnachtskollekten und setzte sich
selbstlos für die Jugend ein, deren Lehrer
er wurde. Insbesondere kümmerte er sich
um die Erziehung junger Mädchen. Hier
betrat er „pädagogisches Neuland“, denn
außer Spinnen und Weben wurde einer
jungen Frau damals nicht viel geboten.
Dessen ungeachtet blieb er politisch aktiv,
er war Rezensent zahlreicher politischer
Zeitungen und Zeitschriften und folgte da-
mit
dem
Beispiel
vieler
Paulskirchenparlamentarier, die in der
katholischen Welt Aufsehen erregten,
und war auch Mitarbeiter des „Tiroler
Boten“, denn geistig-politisch blieb er
seiner Heimat verbunden.
Als Theologe reformierte er den Chor-
gesang und auch am Katechismus arbeite-
te er mit.
Immer wieder zog es ihn aber nach Tirol
zurück, 1856 war es das letzte Mal. Im
Juni 1857 erkrankte der Stadtpfarrer, doch
er kümmerte sich wenig um seine Krank-
heit. Zeitweilig ging es ihm sogar besser,
doch am 28. Feber 1858 schloß er seine
Augen für immer.
Obwohl in Frankfurt zu Ruhm und Ehre
gekommen, beides ließ ihn kalt, vergaß er
Tirol nie. „Wenn der Abendhimmel sich
rötet, denke ich an die Etsch, und das Herz
wird mir schwer“, bekannte er heimweh-
krank einem Freund.
Die Frankfurter aber feierten ihren
Stadtpfarrer, „der von dem Berge kam“ als
einen der ihren. 1958, die junge Bundes-
republik Deutschland war gerade neun
Jahre alt geworden, veranstalteten sie im
Dom ihm zu Ehren ein feierliches Ponti-
fikalamt und besuchten sein Grab auf dem
Frankfurter Hauptfriedhof. War er nicht
Frankfurter, war er nicht ein Frankfurter
geworden? Getreu dem Motto ihres
Nationaldichters Friedrich Stoltze, der,
eine Generation jünger als Beda Weber,
launig in ihrer Zunge geschrieben hatte:
„Es will mehr nor net in de Kopp enei,
wie e Mensch net kann von Frankfort sei.“
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 2
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschriften der Autoren dieser Nummer: Dr.
Lois Ebner, Kustos des Museums der Stadt
Lienz, Schloß Bruck, A-9900 Lienz – Dr. Ger-
hard zur Strassen, Stadtarchivar von Kronberg
bei Frankfurt a. M., D-60431 Frankfurt a. M.,
Peter Böhler-Straße 20.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pi-
zzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
Benediktinerpater Beda Weber (1798 bis
1858) in einer Lithographie nach einer
Daguerreotypie von Jacob Seib, 1858.
Rep.: M. Pizzinini
Der Dom St. Bartholomäus zu Frankfurt
a. M.; Kupferstich des Außerferner Künst-
lers Anton Falger nach einer Zeichnung
von Domenico Quaglio, um 1840.
Rep.: M. Pizzinini
Grabmal des Frankfurter Stadtpfarrers
P. Beda Weber am Frankfurter Haupt-
friedhof; Aufnahme von 1998. Das Grab-
mal gibt – wie auch die Gedenktafel auf
seinem Geburtshaus in der Lienzer Beda
Weber-Gasse – fälschlich den 26. Oktober
1798 als Geburtsdatum an; Beda Weber
kam jedoch am 28. Oktober zur Welt.
Foto: Institut für Stadtgeschichte,
Frankfurt a. M. (Hermann Nöller)