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OBERKÄRNTNER
VOLLTREFFER
29. SEPTEMBER 2014
CHRONIK
MEINE
G
ESCHICHTE
Nur daneben sitzen ist zu wenig!
Als Erika Brandstätter aus Pusar-
nitz vor 25 Jahren als Fahrlehre-
rin zu arbeiten begann, drang sie
in eine Männerdomäne ein. Es
gab nur sehr wenige Frauen, die
nicht nur in der Führerschein-
klasse B, sondern auch im Fah
ren von Motorrädern ausbilden
konnten. Was anfangs durchaus
auf Skepsis stieß. Sogar bei der
Fahrlehrerprüfung musste sie
sich anhören: „Was machen Sie
denn hier?“
Sie bestand sämtliche Prü-
fungen, ist inzwischen nicht
nur Fahrlehrerin für die Führer-
scheinklassen A und B, sondern
auch Fahrtrainerin und Fahr-
coach. Sie leitet Fahrtrainings
und hält verkehrspsychologische
Schulungen. Kleines Detail am
Rande: Von den Männern, die
mit ihr die Ausbildung machten,
arbeitet keiner mehr als Fahrleh-
rer! Erika Brandstätter sieht ihre
Arbeit nicht nur als Beruf, son-
dern auch als Berufung, bildet
sich mit ständigen Schulungen
weiter – und hat gute Nerven.
„Man muss die nötige Ruhe mit-
bringen. Ein nervöser, hektischer
oder schimpfender Fahrlehrer ist
schlicht und einfach überfordert
und damit kontraproduktiv. Dann
wird auch der Schüler nervös, ist
nicht mehr aufnahmefähig und
die Stunde ist fast umsonst“,
sagt Brandstätter. „Man muss den
Spagat zwischen Lockerheit und
Konsequenz finden“, so die drei-
fache Mutter. Dazu gehöre auch ein
großes
Verantwortungsbewusst-
sein gegenüber seinen Schützlin-
gen und dass man sich auf sein Ge-
genüber einstelle. Denn es sei zu
wenig, nur daneben zu sitzen, der
Fahrschüler muss perfekt ausgebil-
det werden.
Lockerheit
und Konsequenz
Da die Pusarnitzerin immer schon
eine Leidenschaft für Autos, Mo-
torräder und Motorsport hatte
fiel eines Tages die Entscheidung,
ihr Wissen den Jugendlichen wei-
ter zu geben. „Mit 16 Jahren hat-
te ich mein erstes Kleinmotorrad,
seitdem kam ich vom Zweirad nicht
mehr weg“, erzählt sie und ist stolz
darauf, von Beginn an unfall- und
schadensfrei unterwegs zu sein. Bei
ihrem Einstieg in die – damals noch
– Männerdomäne „Fahrlehrer“
kam ihr zugute, dass sie nicht nur
über großes technisches Wissen
verfügte, sondern generell nicht
zimperlich ist, nicht alles persönlich
nimmt, Feingefühl und gute Men-
schenkenntnis hat und es als Frau
gewohnt ist, vieles unter einen Hut
bringen zu müssen. Brandstätter
ist davon überzeugt, dass in den
nächsten Jahren immer mehr
Frauen in diesen Beruf einstei-
gen werden: „In dieser Sparte
gibt es immer öfter Teilzeitjobs,
die diese Tätigkeit für Mütter
interessant werden lassen!“
Individualität
„Jeder Fahranfänger hat das
Recht auf eine professionelle
Ausbildung“, sagt sie. Und rät:
„Die Eltern müssen sich schon
bei der Beratung Zeit nehmen,
denn nur so können sie erken-
nen, welche Art der Ausbildung
für ihr Kind am besten ist. Dabei
sollte nicht unbedingt der Preis
die größte Rolle spielen, son-
dern das Gesamtpaket!“ Es gibt
so viele verschiedene Möglich-
keiten der Ausbildung, sowohl
für das Fahren mit dem Pkw als
auch mit dem Motorrad. So kann
man jetzt etwa schon mit 16 Jah-
ren die Berechtigung zum Fahren
mit 125 cm³-Motorrädern erhal-
ten, beim B-Führerschein gibt es
auch die verschiedensten Mög-
lichkeiten, ob als Selbstfahrer
oder mit einem Begleiter. Dabei
sind die Eltern oft sehr gefor-
dert und eine gute theoretische
Einschulung nicht nur vorge-
schrieben, sondern auch unum-
gänglich. „Da spielen sich häufig
Machtkämpfe ab“, weiß Brand-
stätter. „Aber die Eltern tragen
die Verantwortung und das Kind
hat die Anweisungen zu befol-
gen!“ Ob ihr absolute Fahranfän-
ger lieber sind oder solche, die
als „Schwarzfahrer“ schon über
Kenntnisse verfügen? „Es ist
noch keiner gelernt vom Himmel
gefallen“, lacht sie, „aber manch-
mal muss man schon arge Fehler
ausbessern!“ Das kann durchaus
auch passieren, wenn die Schüler
nach einiger Zeit zum Fahrtrai-
ning oder zur Perfektionsfahrt
kommen. „Die Perfektionsfahrt
bedeutet ja nicht, eine Zeitlang
spazieren zu fahren, sondern ist
eine richtige Schulung“, erklärt
sie. Und was wünscht sie ihren
Fahrschülern, unter denen auch
Heinz Kuttin, Thomas Morgen-
stern und Fritz Strobl waren?
„Dass sie ihre Sturm- und Drang-
zeit unfallfrei überstehen.“ Denn
„Fahren ist ein lebenslanger
Lernprozess“, sagt sie und fügt
hinzu: „Auch für mich!“
Erika Brandstätter,
Pusarnitz:
Wenn Erika Brandstätter bei der
ersten Fahrstunde mit
ihrem Motorrad – privat mit
einer BMW 1150 – vorfährt,
lösen sich eventuelle Vorur-
teile schnell in Luft auf!