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NUMMER 4/2012
80. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Es ist immer wie-
der eine erstaunliche
Feststellung und geht
im Grunde genom-
men auch mit der Er-
kenntnis einher, wie
unbeirrbar und unwi-
derruflich prägend
jeder Einzelne von
uns Spuren seiner
Existenz deutlich
konturiert bis ver-
blassend diffus hin-
terlässt. Nicht immer
ist man sich dessen
bewusst, dass jede
Form der Spuren-
sicherung unabhängig
davon geschieht, ob
das Vergangene noch
von aktuellen, gegen-
wärtigen Geschehnis-
sen und Aktionen be-
reichert bzw. konter-
kariert werden kann.
Wie distanziert kann
man die Lebensgeschichte eines Menschen,
eines Außenstehenden, nun darstellen,
wenn dessen Zyklus abgeschlossen ist?
Beeinflusst das Ausmaß an Informations-
reichtum die sich manifestierten Spuren in
der Geschichte und wenn überhaupt deren
Rezeption unsere Urteilslaune? Die Ant-
wort darauf fällt gleichermaßen ambivalent
aus, nämlich als
vermutliche
Zustimmung.
Gestaltet es sich dann nicht als umso
spannender, wenn man sich mit der Le-
bensgeschichte eines Menschen befasst,
die nur knapp vier Jahrzehnte umfasste und
deren Spuren vorschnell betrachtet einer
alten verblassten Fotografie gleichen?
Ein Konvolut an sehr persönlicher Kor-
respondenz zwischen Adolf Guggenberger
und seiner späteren Frau Sofie Stotz, eine
Vielzahl an fotografischen Aufnahmen mit
zum Teil dokumentarischem Inhalt, Zeich-
nungen, Skizzen, Notizen und schließlich
seine Bildwerke bereiten auf einen Diskurs
vor, der uns als Beobachtende und Betrach-
tende dazu auffordert, einen Kunstschaf-
fenden in seiner Tradition wiederzufinden.
Adolf Guggenberger wurde am 9. Mai
1896 als fünftes von zehn Kindern in Lienz
geboren, wo er auch die Volksschule be-
suchte. Sein Vater Peter kam aus Liesing im
Lesachtal und verdiente unter anderem als
Weber in Lienz das Geld für die große
Familie. Die Mutter Agnes Goller, deren
Vater war Schmiedemeister in Untertilliach,
lebte in Patriasdorf beim „Lubisser“
1
(Pa-
triasdorf Nr. 16) am Hof, und nach der Hei-
rat 1889 wohnten sie vorerst in der Lienzer
Kreuzgasse (Nr. 3), im sogenannten „Gug-
genbergerhaus“, einem mehrgeschoßigen
Haus mit einer Fassade aus Schichtstein-
mauerwerk. Nach dem frühen Tod des
Vaters heiratete die Mutter den Sagschnei-
der Josef Sengthaller, mit dem die Familie
in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahr-
hunderts im heute nicht mehr erhaltenen
Sägewerk
Dapra
(Dapra-Säge) in der
Amlacher Straße in
Lienz und später in
Nikolsdorf ihr Zu-
hause hatte.
Es waren die be-
kannten Umstände
der Zeitgeschichte
und die knappen Res-
sourcen imAllgemei-
nen, die insbeson-
dere kinderreichen
Familien nur sehr rar
die Möglichkeiten
offerierten, den Aus-
bildungsreichtum hö-
herer Schulen oder
gewünschter Lehrbe-
rufe uneingeschränkt
verfolgen zu können,
jedenfalls zeichnete
es sich sehr bald ab,
dass Adolf Guggen-
bergers Leben von
Diszipliniertheit und
auch Zielbewusstsein geprägt war. Beruf und
Berufung konkurrieren manchmal aus der
Notwendigkeit existenzieller Absicherung
heraus, bei ihm war es in den ersten Jahren
doch der Beruf des Fotografen, der der Be-
rufung zum Maler, explizit zum feinsinnigen
Porträtisten, den Entwicklungsweg erst er-
möglichen sollte.
Malerei und Fotografie in
paralleler Ausprägung
Im 1933 in den Lienzer Nachrichten an-
lässlich des frühen Todes von Adolf Gug-
genberger erschienenen Nachruf schreibt
Walter Peinsipp wenig pathetisch:
„Schon
in seiner frühen Jugend zeigte er großes
Zeichentalent. Er sollte einmal von der
Stadtgemeinde eine Unterstützung erhal-
ten, um die Akademie besuchen zu können.
Es wurde ihm vereitelt. So mußte er einen
praktischen Beruf ergreifen und er wählte
den, der im Grenzgebiet seiner Neigungen
Der Maler Adolf Guggenberger in seinem Atelier und Wohnraum im ehemaligen Dapra-
Sägewerk in der Amlacher Straße in Lienz.
(Privatbesitz)
Eleonora Bliem-Scolari
Adolf Guggenberger (1896-1933):
Der Lienzer Maler und Fotograf